Neues Rundschreiben "Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV" | Pestalozzi Attorneys at Law

Neues Rundschreiben "Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV"

Key takeaways

  • Die FINMA hat am 15. Mai 2024 den Entwurf eines neuen Rundschreibens "Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV" veröffentlicht und eine öffentliche Anhörung gestartet.
  • Das Rundschreiben basiert auf den bisherigen Erfahrungen der FINMA in der Umsetzung der Verhaltenspflichten von FIDLEG und FIDLEV.
  • Es umfasst verschiedentliche Präzisierungen in der Art und Weise, wie Finanzdienstleister gegenüber deren Kundinnen und Kunden Transparenz zu schaffen haben.
  • Namentlich enthält es Bestimmungen zur Stärkung der Transparenz über die Art der erbrachten Finanzdienstleistung, über die mit Finanzinstrumenten oder -dienstleistungen verbundenen Risiken, über den Umgang mit Interessenskonflikten sowie über die Offenlegung von Retrozessionen.

Einleitung

Am 15. Mai 2024 hat die FINMA den Entwurf eines neuen Rundschreibens zu den Verhaltenspflichten nach FIDLEG und FIDLEV publiziert und eine öffentliche Anhörung zum Entwurf lanciert.

Dieses widerspiegelt die bisherigen Erfahrungen der FINMA hinsichtlich der Umsetzung der Verhaltenspflichten von FIDLEG und FIDLEV durch die von der FINMA oder einer Aufsichtsorganisation beaufsichtigten Finanzdienstleister. Namentlich bezweckt das Rundschreiben die Schaffung von Transparenz bezüglich der Aufsichtspraxis der FINMA sowie ein einheitliches Anlegerschutzniveau unter den Finanzdienstleistern.

In inhaltlicher Hinsicht soll das Rundschreiben insbesondere die Art und Weise der Schaffung von Transparenz durch Finanzdienstleistern gegenüber deren Kundinnen und Kunden bezüglich folgender Aspekte präzisiert werden:

  • Transparenz über die Art der Finanzdienstleistung;
  • Transparenz über die mit Finanzinstrumenten oder -dienstleistungen verbunden Risiken;
  • Transparenz über Interessenskonflikte; sowie
  • Transparenz über Entschädigungen von Dritten und Retrozessionen.

Transparenz über die Art der Finanzdienstleistung

Bezüglich der Information über die durch Finanzdienstleister erbrachte Finanzdienstleistungen soll das Rundschreiben insbesondere die Abgrenzung zwischen den beiden Formen der Anlageberatung gemäss FIDLEG präzisieren.

So differenziert das FIDLEG die "transaktionsbezogene Anlageberatung" nach Art. 11 FIDLEG (in der Praxis häufig auch "transaktionsbezogene Beratung" genannt) von der "Anlageberatung unter Berücksichtigung des Kundenportfolios" nach Art. 12 FIDLEG (in der Praxis häufig auch "portfoliobezogene Beratung" genannt).

Diese Differenzierung widerspiegelt sich in weniger weitgehenden Verhaltenspflichten bei transaktionsbezogener Beratung gegenüber der portfoliobezogenen Beratung. Bei letzterer müssen Finanzdienstleiter eine Eignungsprüfung – analog wie bei der Vermögensverwaltung – vornehmen, mithin muss der Finanzdienstleister anhand konkreter Kenntnisse von Anlagerisiken und Erfahrungen im Finanzsektor, der finanziellen Situation sowie der Anlageziele der Kundinnen und Kunden prüfen, ob das Finanzinstrument für diese geeignet ist. Demgegenüber muss der Finanzdienstleister bei ersterer lediglich eine Angemessenheitsprüfung vornehmen, d.h. sicherstellen, dass Kundinnen und Kunden das empfohlene Finanzinstrument gestützt auf deren Kenntnisse und Erfahrungen verstehen.

Diesbezüglich hat die FINMA in ihrer Aufsichtspraxis festgestellt, dass Finanzdienstleister die beiden Formen der Anlageberatung bisweilen nur ungenügend abgrenzen und nur unzureichend über die Art der erbrachten Dienstleistung informieren. Infolgedessen können Kundinnen und Kunden mitunter fälschlicherweise davon ausgehen, dass sie der Finanzdienstleister umfassend berät und für Anlageempfehlungen eine Eignungsprüfung durchführt; demgegenüber besteht für Finanzdienstleister die Gefahr, dass Beratungsdienstleistungen fälschlicherweise als transaktionsbezogene Beratung eingestuft werden und sodann mangels Durchführung einer Eignungsprüfung systematisch gegen die Verhaltenspflichten des FIDLEG verstossen wird.

Das neue Rundschreiben soll hier Abhilfe schaffen und verlangt von den Finanzdienstleistern, dass diese ihre Kundinnen und Kunden, vor oder bei Abschluss des Mandats oder der Erbringung der Finanzdienstleistung, explizit (d.h. schriftlich oder in einer sonstigen durch Text nachweisbaren Form) informieren müssen, ob es sich bei der angebotenen Beratungsdienstleistung um portfoliobezogene oder transaktionsbezogene Beratung handelt. In letzterem Fall muss der Finanzdienstleister überdies informieren, dass eine rein instrumentenbasierte Beratung erfolgt, mithin das Portfolio gänzlich unberücksichtigt bleibt und lediglich eine Angemessenheitsprüfung und keine Eignungsprüfung erfolgt.

Transparenz über die mit Finanzinstrumenten oder -dienstleistungen verbunden Risiken

Information über die mit Finanzinstrumenten verbundenen Risiken

Die Aufsichtstätigkeit der FINMA zeigt, dass bei für Privatkunden schwer verständlichen und risikoreichen Finanzprodukten, beispielsweise bei Differenzgeschäften (Contracts for Difference, CFDs) oder Rolling-Spot-Forex-Geschäften (FX Rolling Spots), die Risikoaufklärung – gerade mit Blick auf deren Hebelwirkung (Leverage Effect) und eine allfällige Nachschusspflicht – vielfach unzureichend ist.

Das neue Rundschreiben hält mit Blick auf solche Differenzgeschäfte fest, dass der Finanzdienstleister – in Präzisierung dessen Informationspflicht nach FIDLEG – Kundinnen und Kunden zu informieren hat über:

  • den aktuellen Anteil der Kundinnen und Kunden, die beim Finanzdienstleister im Rahmen solcher Differenzgeschäfte Geld verlieren, bzw. den Anteil der Kundinnen und Kunden, die Gelder nachschiessen müssen;
  • das Bestehen allfälliger Nachschusspflichten sowie das potentiell unbegrenzte Verlustrisiko; und
  • Hebeleffekt, Funktionsweise der Marge, Gegenpartei- und Marktrisiko – einschliesslich Slippage (d.h. Kursveränderungen zwischen Erteilung und Ausführung eines Auftrages.

Diese Konkretisierung führt zu einer Angleichung hinsichtlich der Informationspflicht bei Differenzgeschäften im Vergleich zum EU-Recht. Es gilt jedoch festzuhalten, dass die weitergehenden Einschränkungen des europäischen Rechts im Vertrieb von Differenzgeschäften an Privatkundinnen und -kunden (insbesondere der Initial-Margin-Schutz, der Margin-Glattstellungsschutz sowie der Negativsaldoschutz) auch weiterhin keinen Einzug in das schweizerische Recht finden.

Information über die mit der Finanzdienstleistung verbundenen Risiken

Ferner stellt die FINMA fest, dass die Massnahmen zur Vermeidung von Risikokonzentrationen (Klumpenrisiken) in der Praxis höchst unterschiedlich ausgestaltet sind.

Diesen Umstand adressiert das Rundschreiben, indem Finanzdienstleister in der Vermögensverwaltung sowie der portfoliobezogenen Anlageberatung bei Vorliegen marktunüblicher Risikokonzentrationen auf Art und Umfang der Klumpenrisiken hinweisen müssen.

Hinsichtlich der Marktunüblichkeit von Risikokonzentrationen stellt das Rundschreiben folgende Richtwerte auf:

  • Konzentrationen von 10% oder mehr bei Einzeltiteln; und/oder
  • Konzentrationen von 20% oder mehr bei einzelnen Emittenten.

Hierbei handelt es sich um Richtwerte (der Entwurfstext des Rundschreibens spricht von "Hinweisen auf marktunübliche Risikokonzentrationen"), bei denen eine entsprechende Risikoaufklärung angezeigt ist, und nicht um fixe Schwellenwerte, deren Erreichen bzw. Überschreiten in jedem Fall eine Pflicht des Finanzdienstleisters zur Information auslösen. Ferner sind von der Informationspflicht Risikokonzentrationen aufgrund kollektiver Kapitalanlagen, die regulatorischen Risikoverteilungsvorschriften unterliegen, ausgenommen.

 Transparenz über Interessenskonflikte

Sofern Finanzdienstleister für deren Anlagelösungen auch eigene Finanzinstrumente berücksichtigen, besteht die Gefahr, dass der Finanzdienstleister nicht das für die Kundinnen und Kunden vorteilhafteste Produkt auswählen, sondern jenes mit den höchsten zusätzlichen Vergütungen für den Finanzdienstleister. Mithin können folglich Interessenkonflikte resultieren.

Dieser Problematik nimmt sich das Rundschreiben an, indem es an der bisherigen Kaskadenordnung des FIDLEG zur Vermeidung von Interessenkonflikten festhält und die Anforderungen an die Offenlegung von Interessenskonflikten präzisiert.

Bietet ein Finanzdienstleister Anlagelösungen an, die ausschliesslich eigene Produkte umfassen, muss dieser seine Kundinnen und Kunden auf diesen Umstand hinweisen und über die potentiell daraus resultierenden Interessenkonflikte und damit verbundenen Risiken orientieren. Informiert der Finanzdienstleister dessen Kundinnen und Kunden, dass fremde Produkte berücksichtigt werden, hat der Finanzdienstleister sicherzustellen, dass er sich bei der Auswahl der Finanzinstrumente nicht von eigenen Interessen und zum Nachteil der Kundinnen und Kunden leiten lässt. Namentlich hat der Prozess zur Selektion von Finanzprodukten anhand branchenüblicher, objektiver Kriterien (z.B. Performance-Erwartung, Übereinstimmung mit dem Risikoprofil, gewünschte Diversifikation, Kosten, etc.) zu erfolgen.

Transparenz über Entschädigungen von Dritten und Retrozessionen

Gemäss der FINMA vereinnahmen die meisten Finanzdienstleister – trotz eines rückläufigen Trends – auch weiterhin Entschädigungen Dritter (sogenannte Retrozessionen). Gleichzeitig findet sich der Vorausverzicht der Kundinnen und Kunden auf solche Retrozessionen meist als pro-forma-Verzicht im Kleingedruckten. Ferner erteilen gewisse Finanzinstitute ihren Kundinnen und Kunden Auskünfte über effektiv einbehaltene Retrozessionen nur gegen Gebühr.

Das Rundschreiben präzisiert, dass Informationen über Retrozessionen in Formularverträgen optisch (z.B. mittels Fettdruck oder farblicher Abhebung) hervorzuheben ist und Kundinnen und Kunden entweder physisch auszuhändigen ist oder mittels Direktlink elektronisch abrufbar zu machen ist.

Sofern die effektive Höhe der Retrozession vor Erbringung der Finanzdienstleistung oder vor Vertragsabschluss nicht feststellbar ist, muss der Finanzdienstleister über Berechnungsparameter sowie Bandbreite der voraussichtlichen Retrozessionen informieren – dies findet auf sämtliche Finanzdienstleistungen Anwendung, namentlich auch bei der transaktionsbezogenen Anlageberatung und Execution-only-Verhältnissen. Bei Vermögensverwaltung und portfoliobasierter Beratung muss der Finanzdienstleister darüber hinaus auch über die Bandbreite der Entschädigung anhand des Portfoliowertes und der vereinbarten Anlagestrategie informieren.

Letztlich hat der Finanzdienstleister den Kundinnen und Kunden die effektiv erhaltenen Beträge auf deren Anfrage hin grundsätzlich kostenlos offenzulegen. Nur ausnahmsweise kann bei ausserordentlichem Aufwand, namentlich bei wiederholter Ausübung des Informationsanspruchs innert kurzer Zeit, eine moderate und höchstens kostendeckende Pauschalgebühr verlangt werden.

Nächste Schritte

Die öffentliche Anhörung der FINMA zum Entwurf des Rundschreibens dauert zwei Monate und endet am 15. Juli 2024. Im Anschluss wird die FINMA die eingegangenen Stellungnahmen auswerten und gewichten und sich im Rahmen ihres Ergebnisberichtes zu deren Umsetzung äussern.

Gestützt auf den Anhörungsprozess wird das neue Rundschreiben zu den Verhaltenspflichten nach FIDLEG und FIDLEV finalisiert. Die FINMA plant mit einer Inkraftsetzung des Rundschreibens anfangs 2025.

Autoren: Dr. iur. Samir Ainouz (Junior Associate), Andrea Huber (Partner)

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