Neues FINMA-Rundschreiben zur konsolidierten Aufsicht über Finanzgruppen nach dem Bankengesetz und dem Finanzinsti-tutsgesetz | Pestalozzi Attorneys at Law

Neues FINMA-Rundschreiben zur konsolidierten Aufsicht über Finanzgruppen nach dem Bankengesetz und dem Finanzinsti-tutsgesetz

Key Take-Aways

  • Das neue Rundschreiben 2025/04 legt die Kriterien der bisherigen FINMA-Praxis für den Bezug von Gruppengesellschaften in die konsolidierte Aufsicht fest.
  • Wesentliche Kriterien sind die Aktivitäten der Konzernunternehmen im Finanzsektor, das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit und eine rechtliche oder faktische Verpflichtung zur Unterstützung von Gruppengesellschaften.
  • Jede Art der Erbringung von Finanzdienstleistungen kann die konsolidierte Aufsichtspflicht auslösen, unabhängig von den Bewilligungs- oder Registrierungspflichten in der Schweiz.

Einleitung

Die FINMA hat ein neues Rundschreiben erlassen, um Rechtssicherheit und Gleichbehandlung bei der Aufsicht von Finanzgruppen auf konsolidierter Basis nach dem Bankengesetz (BankG) und dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) zu schaffen. Die konsolidierte Aufsicht soll sicherstellen, dass alle von einer Finanzgruppe eingegangenen Risiken ordnungsgemäss überwacht werden. Bisher hat die FINMA ihre etablierten Aufsichtspraxis auf Einzelfallbasis angewendet. Das Rundschreiben formalisiert nun diese Praxis und tritt am 1. Juli 2025 in Kraft (das "Rundschreiben").

Adressaten des Rundschreibens

Das Rundschreiben skizziert die etablierte Praxis der FINMA in Bezug auf die konsolidierte Aufsicht nach den Artikeln 3b–3g und 21–24a der Bankenverordnung (BO). Es richtet sich an:

  • Finanzgruppen im Sinne des Artikels 3c BA und Banken im Sinne des Artikels 1a, die Teil solcher Gruppen sind;
  • Finanzgruppen, die von Wertpapierhäusern nach Art. 49 FINIG geführt werden;
  • Wertpapierhäuser nach Art. 41 FINIG, die Teil einer Finanzgruppe sind; und
  • Finanzgruppen, die von Personen gemäss Art. 1b BankG (sog. FinTech-Bewilligung) sowie von Personen gemäss Art. 1b BankG, die Teil einer Finanzgruppe sind, beherrscht werden 

Ist ein Unternehmen Teil einer Finanzgruppe, so gelten die Artikel 3b und 3d des BankG, was bedeutet, dass die FINMA die Bewilligung grundsätzlich vom Vorliegen einer angemessenen konsolidierten Aufsicht durch eine Finanzmarktaufsicht abhängig macht. Das Rundschreiben enthält jedoch keine Hinweise zu der Frage, was als "angemessene" konsolidierte Beaufsichtigung durch ausländische Aufsichtsbehörden anzusehen ist. Unklar bleibt daher, ob Unternehmen, die Eigenhandel ausüben und die nicht der finanzmarktrechtlichen Aufsicht im Ausland einschliesslich der konsolidierten Aufsicht unterstehen, in der Schweiz eine bewilligungspflichtige Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung gründen könnten, falls das Gesamtvolumen der ausgeführten Wertpapiergeschäfte in der Schweiz CHF 5 Mrd. pro Kalenderjahr übersteigt.

Regulatorischer Konsolidierungskreis

Das Rundschreiben behandelt den regulatorischen Konsolidierungskreis, während der Geltungsbereich der Konsolidierung für die konsolidierten Abschlüsse gemäss den anwendbaren Rechnungslegungsstandards bestimmt wird. Dementsprechend kann sich der regulatorische Konsolidierungskreis von demjenigen des Konzernabschlusses unterscheiden, insbesondere bei Konzerngesellschaften, die nicht im Finanzsektor tätig sind.

Das Rundschreiben betont, dass die Frage des Einbezugs eines Unternehmens in den regulatorischen Konsolidierungskreis eine Gesamtbeurteilung von Fall zu Fall erfordert. Die Kriterien, nach denen der Einbezug in den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis massgeblich ist, richten sich nach der Geschäftstätigkeit des Unternehmens (hauptsächliche Tätigkeit im Finanzsektor), dem Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit (Kontrolle durch Mehrheitsbeteiligung oder auf andere Weise), einer rechtlichen oder faktischen Verpflichtung zur Unterstützung. Das Rundschreiben enthält detaillierte Erläuterungen zu jedem Kriterium, die im Folgenden zusammengefasst sind.

 Tätigkeit im Finanzsektor

Zunächst wird klargestellt, dass die in Artikel 4 Abs 1 lit a BO aufgeführten Tätigkeiten nicht abschliessend sind und der Begriff "Tätigkeit im Finanzsektor" weit auszulegen ist, wobei die FINMA einen materiellen Ansatz anwendet (tatsächliche wirtschaftliche Gegebenheiten gehen der rechtlichen Form vor). Zu den Tätigkeiten im Finanzsektor gehören insbesondere Finanzierungsleasing, Factoring, Kreditkartengeschäft, Emissionsbeteiligungen, die Verwahrung von Wertpapieren, Zahlungsdienste und -ausgaben, die Verwahrung von Zahlungsmitteln (einschliesslich Zahlungstoken) sowie Tätigkeiten im Versicherungssektor. Die oben genannten Tätigkeiten lösen jedoch nicht die Beaufsichtigungspflicht auf konsolidierter Basis aus, wenn die Unternehmen der Gruppe rein kommerzielle, industrielle oder administrative Tätigkeiten ausüben. Die FINMA betont, dass die Beurteilung der Tätigkeiten im Finanzsektor technologieneutral unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen soll.

 Wirtschaftliche Einheit

Gemäss Rundschreiben liegt ein Verbundsystem vor, wenn gemäss Art. 3c Abs. 1 Bst. c BankG die Unternehmen der Gruppe eine wirtschaftliche Einheit bilden oder wenn sie durch eine gesetzliche oder eine faktische Verpflichtung zur Unterstützung verbunden sind. Die technische Bezeichnung einer wirtschaftlichen Einheit ist in Artikel 21 Absatz 2 BO beschrieben und besteht aus einer direkten oder indirekten Beteiligung von mehr als 50% der Stimmen oder des Kapitals an einer anderen Einheit oder einer Kontrolle auf andere Weise, z.B. durch Abstimmungsvereinbarungen, Rechte zur Ernennung oder Abberufung von Verwaltungsorganen.

Ohne Mehrheitsbeteiligung oder -kontrolle können andere Umstände, die auf eine gesetzliche Unterstützungspflicht hindeuten, zur Annahme eines Verbundsystems führen. Das Rundschreiben listet folgende nicht abschliessende Beispiele für mögliche Umstände auf, die zur Annahme einer gesetzlichen oder faktischen Verpflichtung zur Unterstützung führen könnten:

  • strategische, personelle, organisatorische oder finanzielle Abhängigkeiten;
  • Kooperationen;
  • die Verwendung eines gemeinsamen Firmennamens;
  • ein einheitlicher Marktauftritt; oder
  • Patronatserklärungen, Keep Well-Vereinbarungen oder ähnliche Sicherheiten.
  • Solange die Mehrheit von 50 % nicht erreicht wird, gilt: Je höher die Teilnahmequote, desto geringer können die anderen oben beschriebenen Verknüpfungen sein und dennoch die Aufnahme in die konsolidierte Supervision auslösen.

 Finanzgruppenstrukturen

Das Rundschreiben kategorisiert Finanzgruppen entsprechend ihrer Struktur und beschreibt die folgenden Arten von Finanzgruppenstrukturen. Dabei wird im Rundschreiben auch erläutert, welche Konzerngesellschaften in den regulatorischen Konsolidierungskreis in jeder Kategorie einbezogen werden sollten:

- Stammhausstruktur: An der Spitze der gesamten Gruppe befindet sich ein Finanzinstitut.

- Holdingstruktur: An der Spitze der Gruppe befindet sich eine Holdinggesellschaft, die mindestens ein Finanzinstitut hält.

- Atypische Strukturen:

  • Vertragskonzerne: Anstelle der Kontrolle durch Kapital oder Stimmrechte bilden Konzerngesellschaften auf der Grundlage eines Vertrags eine wirtschaftliche Einheit.
  • De-facto-Finanzgruppen: An der Spitze der Finanzgruppe stehen eine oder mehrere Personen, die neben einer in der Schweiz ansässigen oder tatsächlich geführten Institution direkt oder indirekt auch andere im Finanzsektor tätige Unternehmen kontrollieren.

- Subgruppe einer ausländischen Finanzgruppe: Eine der konsolidierten Aufsicht der FINMA unterstehende Finanzgruppe, die Teil einer ausländischen Finanzgruppe ist; und
- Untergeordnete Finanzgruppe als Teil einer Finanzgruppe, die der Aufsicht der FINMA untersteht.

Die konsolidierte Aufsicht durch die FINMA erstreckt sich grundsätzlich auf alle Gruppengesellschaften einer Finanzgruppe unabhängig von ihrer Rechtsform, d.h. insbesondere auch SPVs sind einzubeziehen, sofern die Voraussetzungen für eine konsolidierte Aufsicht erfüllt sind. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass wesentliche Konzerngesellschaften stets als im Finanzsektor tätig anzusehen sind.

Ring-Fencing-Ausnahme

Der Wortlaut der Artikel 3b und 3d BA legen nahe, dass es im Ermessen der FINMA liegt, die konsolidierte Aufsicht als Voraussetzung für eine Schweizer Bewilligung zu verlangen. Während die konsolidierte Aufsicht die Regel ist, kann die FINMA unter bestimmten ausserordentlichen Umständen auf die Pflicht zur konsolidierten Aufsicht verzichten. Das Rundschreiben stellt klar, dass die FINMA in diesem Fall präventive Massnahmen wie Ring-Fencing oder Anpassungen der Gruppenstruktur verlangen kann, um spezifischen Risiken zu begegnen.

Ring-Fencing-Massnahmen sind insbesondere im internationalen Kontext vorgesehen. Insbesondere können in Fällen, in denen im Ausland keine angemessene konsolidierte Aufsicht besteht, die Verbindungen zwischen der ausländischen Finanzgruppe und dem Schweizer Management beschränkt werden. Dieser Ansatz ist nur dann von Bedeutung, wenn die Massnahmen geeignet sind, die Risiken, denen das betreffende Institut ausgesetzt ist, zu mindern. Das Rundschreiben enthält die folgende (nicht erschöpfende) Liste potenzieller Massnahmen:

  • Corporate-Governance-Massnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Leitungs- und Entscheidungsorgane des Instituts gegenüber der Finanzgruppe;
  • finanzielle Massnahmen zum Schutz von Kundenvermögen oder zur Begrenzung der finanziellen Verbindungen zwischen dem Institut und der Finanzgruppe;
  • Strukturmassnahmen;
  • Operative Massnahmen im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen;
  • Spezifische Informations- und Meldepflichten gegenüber der FINMA.

Obwohl Ring-Fencing und andere Massnahmen zur Verfügung stehen, betont das Rundschreiben, dass die konsolidierte Aufsicht aufgrund ihrer Bedeutung und internationalen Anerkennung nach wie vor der Standard ist.

Inhalt der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis

Neben den umfassenden Erklärungen zum Konsolidierungskreis enthält das Rundschreiben auch weitere Einzelheiten zu den Inhalten der konsolidierten Aufsicht. Es wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis aus qualitativen und quantitativen Elementen bestehen muss. Die qualitativen Elemente betreffen in erster Linie die interne Organisation der Finanzgruppe, einschliesslich (aber nicht ausschliesslich) der internen Kontrollsysteme, des Risikomanagements, der gruppenweiten Bekämpfung von Geldwäsche und der Anforderungen an die fachliche Qualifikation. Zu den quantitativen Elementen gehören hingegen Eigenmittelanforderungen und Risikostreuung sowie Liquiditätsanforderungen, Anforderungen an die Berichterstattung über Zinsrisiken und Rechnungslegungsstandards.

Gestützt auf Art. 23 Abs. 2 BO wurden im Rundschreiben die Kriterien präzisiert, die eine Befreiung von den quantitativen Elementen vorsehen, die für unwesentliche Gruppengesellschaften anwendbar sind. Die wichtigste Befreiung von den quantitativen Elementen wird gewährt, wenn die Finanzgruppe neben einem Finanzinstitut nur unwesentliche Konzerngesellschaften umfasst. Sind nur einzelne, nicht aber alle Konzerngesellschaften unwesentlich, so sind die unwesentlichen Gesellschaften von den quantitativen Elementen der konsolidierten Aufsicht auszunehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass Konzerngesellschaften, die isoliert betrachtet unwesentlich sind, zusammen mit anderen unwesentlichen Gesellschaften wesentlich sein können. Es sind keine Ausnahmen von den qualitativen Elementen vorgesehen.

Nächste Schritte

Das neue Rundschreiben etabliert in erster Linie die bestehende Praxis der FINMA und sorgt für Rechtssicherheit. Unser Team verfügt über langjährige Erfahrung im Finanzmarktrecht und in der Praxis der FINMA. Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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Mitwirkende: Niku Gholamalizadeh

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