Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) bzw. Heilmittelverordnungspaket IV
Am 18. März 2016 hat das Parlament das revidierte Heilmittelgesetz (revHMG) verabschiedet. Ein Teil der revidierten Bestimmungen sowie das entsprechende Verordnungsrecht wird bereits Anfang 2018 vorzeitigt in Kraft gesetzt. Das Gros der Ausführungsbestimmungen soll ab 2019 gelten (Heilmittelverordnungspaket IV). Der Bundesrat hat das Eidgenössische Departement des Innern am 21. Juni 2017 beauftragt, eine Vernehmlassung zu den entsprechenden Verordnungen sowohl des Bundesrates als auch des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic durchzuführen.
Die Vernehmlassungsfrist endet am 20. Oktober 2017.
Die Revision verfolgt in der zweiten Etappe verschiedene Ziele. So erleichtern vereinfachte Zulassungsverfahren den Marktzutritt und es werden Anreize für Forschung geschaffen, insbesondere im Bereich der pädiatrischen Arzneimittel. Des Weiteren soll die Arzneimittelsicherheit verbessert und in verschiedenen Bereichen die Transparenz erhöht werden. Schliesslich wird mit Regeln zu gebührenden Vorteilen möglicher Korruption vorgebeugt.
1. Vereinfachtes Zulassungsverfahren
Auf Initiative des Nationalrates wurden mit den Art. 14 Abs. 1 abis bis aquater revHMG für weitere Arzneimittel die Möglichkeit geschaffen, diese im vereinfachten Verfahren zuzulassen, sofern dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist und wenn weder Interessen der Schweiz noch internationale Verpflichtungen entgegenstehen. Dabei wird unterschieden in Fälle von "well established use", "traditional use" und Arzneimittel die in einem Kanton bereits zugelassen sind. Die neuen Ausführungsbestimmungen hierzu finden sich in den Art. 17a ff. der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren (VAZV) sowie in Ziff. 1 der Anhänge 4 bis 5.3 der Arzneimittel-Zulassungsverordnung (AMZV) .
2. Anreize für Forschung
Bei wichtigen Arzneimitteln für seltene Krankheiten gewährt Swissmedic einen verlängerten Unterlagenschutz von 15 Jahren (Art. 11b Abs. 4 revHMG). Auf Antrag hin kann ein besonderer Unterlagenschutz von 10 Jahren für Arzneimittel gewährt werden, die speziell und ausschliesslich für die pädiatrische Anwendung gedacht sind, sofern kein Unterlagenschutz für ein anderes von Swissmedic zugelassenes Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff für die gleiche spezielle pädiatrische Anwendung besteht (Art. 11b Abs. 3 revHMG).
Im Rahmen der Revision des HMG wurden ebenfalls Änderungen im Patentgesetz (PatG) bzw. der Patentverordnung (PatV) vorgenommen. Das geänderte PatG führt bei einem bereits erteilten Schutzzertifikat oder einem neu geschaffenen pädiatrischen Schutzzertifikat eine Verlängerung von sechs Monaten ein. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement führt hierzu ein separates Vernehmlassungsverfahren durch; dieses endet zeitgleich am 20. Oktober 2017.
3. Arzneimittelsicherheit
Den Anreizen im Bereich der Forschung stehen verschiedene neue oder erweiterte Verpflichtungen bei der Anwendungssicherheit gegenüber.
Zunächst sieht Art. 54a revHMG ein pädiatrisches Prüfkonzept (PPK) vor. Demnach muss bei der Entwicklung neuer Medikamente künftig von Anfang an auch die pädiatrische Bevölkerungsgruppe miteinbezogen werden. Der Bundesrat sieht in Art. 5 Abs. 4 lit. b der Arzneimittelverordnung (VAM) vor, dass von der Pflicht zur Erstellung eines PPK abgesehen werden kann, wenn es sich dabei um Arzneimittel handelt, die zur Behandlung von Krankheiten verwendet werden, die nur bei Erwachsenen auftreten. Weiter ist in Art. 5 Abs. 3 VAM vorgesehen, dass ein von einer ausländischen Behörde bereits beurteiltes PPK berücksichtigt wird. Die Ausführungsbestimmungen hierzu finden sich in den Art. 5, 9 Abs. 5, 11 Abs. 3 und 5, 30 Abs. 4 und 83 Abs. 1 VAM sowie in den Art. 2 lit. c und 13 Abs. 2 AMZV.
Um mögliche Lücken zwischen den Kenntnissen bei der Zulassung und denjenigen bei der Marktüberwachung zu schliessen, wird neu ein Pharmacovigilance-Plan vorgesehen, welcher eine Bewertung der Risiken und soweit erforderlich einen Plan zu ihrer systematischen Erfassung, Abklärung und Prävention enthalten muss (Art. 11 Abs. 2 lit. a Ziff. 5 revHMG).
Die Meldepflichten über unerwünschte Wirkungen und Vorkommnisse von Arzneimitteln in Art. 59 HMG wurden auf Fachleute ausgedehnt, die zur Anwendung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind.
Art. 59 Abs. 6 revHMG beauftragt den Bundesrat zudem die Regeln zur Guten Vigilance-Praxis unter Berücksichtigung der international anerkannten Richtlinien und Normen zu umschreiben. In Anhang 3 VAM wird sodann auf die verschiedenen einschlägigen Richtlinien verwiesen.
4. Erhöhung der Transparenz
Swissmedic erhält mit dem revidierten Art. 67 revHMG verschiedene präzisierte Kompetenzen hinsichtlich der Information der Öffentlichkeit. So sollen bei Gesuchen um Zulassung, Indikationserweiterung oder Zulassungserweiterung diverse Angaben zum Arzneimittel und zur Zulassungsinhaberin sowie zu Zulassungs- und Widerrufsentscheiden und zu Rückzügen von Gesuchen um Zulassung oder Indikationserweiterung eines Arzneimittels publiziert werden. Ebenfalls wird neu die Dauer des Unterlagenschutzes veröffentlicht.
Mit Art. 67b revHMG kann der Bundesrat zudem die Resultate klinischer Studien, welche im Hinblick auf die Entwicklung eines Humanarzneimittels durchgeführt wurden, in einer Datenbank veröffentlichen. Sodann sieht die VAM vor, dass Zulassungsinhaber von Humanarzneimitteln eine Zusammenfassung der einschlägigen Studienergebnissen publizieren, wobei auf international etablierte öffentliche Register und Datenbanken klinischer Studien verwiesen werden kann. Die Ausführungsbestimmungen hierzu finden sich in Art. 70 ff. sowie im Anhang 5 VAM.
5. Selbstmedikation
Im Zuge der Neuregelung der Selbstmedikation hat der Bundesrat entsprechend Art. 23 ff. revHMG die Abgabekategorien neu strukturiert (vgl. Art. 40 ff. VAM). Die Abgabekategorie C wird aufgehoben und ein Grossteil der entsprechend eingeteilten Arzneimittel wird der Abgabekategorie D (Abgabe nach Fachberatung) zugeordnet. Arzneimittel die aus Sicherheitsgründen nicht der Abgabekategorie D zugeordnet werden können, werden der Abgabekategorie B (Abgabe auf ärztliche Verschreibung) zugeordnet. Die Ausführungsbestimmungen hierzu finden sich in den Art. 45 ff. und Anhang 2 VAM.
6. Gebührende Vorteile
Bezüglich der Sicherstellung der Unbestechlichkeit von Ärzten und Apothekern hat sich die ständerätliche Regelung durchgesetzt, wonach die Vorschriften zu gebührenden Vorteilen nur für verschreibungspflichtige Medikamente gelten (Art. 55 Abs. 1 revHMG). Somit sind Vorteile sowohl bezüglich Medizinprodukten als auch bezüglich nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht von der heilmittelrechtlichen Regelung erfasst und unterstehen einzig dem allgemeinen Korruptionsstrafrecht (Art. 322ter ff. StGB). In Art. 55 Abs. 2 lit. a-e revHMG sind zudem Ausnahmen definiert, was nicht zu den gebührenden Vorteilen zu zählen ist. Die Ausdehnung des Integritätsgebots auf weitere Heilmittelkategorien, wie dies Art. 55 Abs. 3 revHMG zulassen würde, ist nicht unmittelbar vorgesehen. Die Einzelheiten werden in der neu geschaffenen Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH) geregelt.
Art. 86 Abs. 1 lit. h revHMG stellt Verstösse gegen Art. 55 revHMG unter Strafe. Ob die Strafnorm im revHMG entsprechend der Annahme der Einigungskonferenz dem allgemeinen Korruptionsstrafrecht (Art. 322ter ff. StGB) vorgehen würde, müsste im Einzelfall durch die Justiz entschieden werden.
Die in Art. 56 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) verankerte Pflicht zur Weitergabe von Vergünstigungen wurde vom Parlament relativiert. Die nicht vollumfängliche Weitergabe von Vergünstigungen kann zwischen Versicherer und Leistungserbringer beschlossen werden, wenn die einbehaltenen Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden (Art. 56 Abs. 3bis revKVG). Die Ausführungsbestimmungen hierzu finden sich neu in den Art. 76a und 76b VITH.
7. Schlussfolgerungen
Wesentliche Änderungen bringt die Revision des HMG im Bereich des neuen vereinfachten Zulassungsverfahrens sowie durch Anreize im Bereich der Forschung, insbesondere beim verlängerten Unterlagenschutz. Demgegenüber bestehen auch neue Verpflichtungen wie bspw. das PPK oder die Meldepflichten von Fachleuten die zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind.