Registerwertrechte: Einführung von DLT-Aktien in der Schweiz
Legal Update-Reihe zur Aktienrechtsrevision
Dieses Legal Update ist Teil einer Reihe, mit welcher die für Praktiker relevanten Änderungen zum Aktienrecht in kondensierter Form dargestellt werden. Bereits publizierte Legal Updates finden Sie auf unserer Website unter Aktienrechtsrevision 2020. Neue Legal Updates zum Thema Aktienrechtsreform werden regelmässig an unsere Newsletter-Subscriber verschickt und auf unserer Website publiziert.
Übersicht
Am 1. Februar 2021 hat der Bundesrat die Vorlage betreffend Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT-Vorlage) teilweise in Kraft gesetzt. Für schweizerische Aktiengesellschaften wurde dadurch die Möglichkeit geschaffen, Aktien in der Form von kryptographischen Tokens, welche auf einer Blockchain repräsentiert werden, auszugeben.
- Mit der Einführung der sog. Registerwertrechte wurde eine neue Kategorie von Wertrechten gemäss Obligationenrecht eingeführt. Dies schafft die Möglichkeit, Aktien in Form von kryptographischen Tokens auszugeben.
- Die neuen gesetzlichen Bestimmungen sind technologieneutral formuliert. Sie enthalten somit keine technischen Spezifikationen und stellen einzig materielle Anforderungen an die Wertrechteregister, in welchem die Registerwertrechte eingetragen sein müssen, sowie an die Übertragung der Registerwertrechte.
- Die Übertragung von Aktien in der Form von kryptographischen Tokens bzw. von Registerwertrechten erfolgt über das Wertrechteregister und entsprechend den Regeln der sog. Registervereinbarung. Deren konkrete Ausgestaltung wird den Vertragsparteien überlassen.
Einleitung
Die Distributed Ledger Technologie (DLT), insbesondere in Kombination mit Blockchains, gehört zu den vielversprechendsten Entwicklungen der Digitalisierung. Ziel der DLT-Vorlage ist es deshalb, rechtliche Rahmenbedingung zu schaffen, um die Chancen dieser Technologien nutzen zu können. Die Schweiz soll sich so zu einem führenden Standort im Bereich der DLT-Technologien entwickeln.
Am 1. Februar 2021 setzte der Bundesrat diejenigen Elemente der DLT-Vorlage in Kraft, mit welchen die sog. Registerwertrechte, eine neue Kategorie von Wertrechten gemäss Obligationenrecht, eingeführt werden. Diese Wertrechte können auf einer Blockchain abgebildet und übertragen und mittels DLT-Technologie verwaltet werden. Die in Kraft gesetzten Änderungen betreffen das Obligationenrecht (Art. 622 Abs. 1 und 1bis; Art. 973c – 973i und 1153a OR), das Bucheffektengesetz (Art. 4 Abs. 2 lit. f und g; Art. 5 lit. g und h; Art. 6 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2 und 3; Art. 7 Abs. 1 und 2; Art. 9 Abs. 1; Art. 11 Abs. 3 lit. b, und Art. 17 Abs. 1 lit. b sowie Abs. 4 BEG) und das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (Art. 105 Abs. 2; Art. 106; Art. 108a und Art. 145a IPRG).
Wichtige neue Bestimmungen aus Sicht des Aktienrechts sind dabei Art. 622 Abs. 1 OR, welcher nun vorsieht, dass die Aktien einer schweizerischen Aktiengesellschaft, auf Basis einer entsprechenden statutarischen Grundlage, auch als Registerwertrechte i.S.v. Art 973d OR ausgegeben werden dürfen, und Art. 973d – 973i OR, welche das neue Instrument des Registerwertrechts regeln.
Was sind Registerwertrechte?
Übersicht
Ein Registerwertrecht ist ein Recht, das gemäss einer Vereinbarung der Parteien (der sog. Registrierungsvereinbarung) in einem Wertrechteregister eingetragen ist und nur über dieses Wertrechteregister geltend gemacht und auf andere übertragen werden kann (Art. 973d Abs. 1 OR). Dementsprechend ist die Übertragung von Registerwertrechten ohne Schriftformerfordernis möglich.
Das Wertrechteregister muss dabei folgende materiellen Anforderungen erfüllen (Art. 973d Abs. 2 Ziff. 1 – 4 OR):
- Es vermittelt den Gläubigern, nicht aber dem Schuldner, mittels technischer Verfahren die Verfügungsmacht über ihre Rechte.
- Seine Integrität ist geschützt, indem es durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen, wie die gemeinsame Verwaltung durch mehrere voneinander unabhängige Beteiligte, gegen unbefugte Veränderungen geschützt ist.
- Der Inhalt der Rechte, die Funktionsweise des Registers und die Registrierungsvereinbarung sind im Register oder in damit verknüpften Begleitdaten festgehalten.
- Die Gläubiger können die sie betreffenden Informationen und Registereinträge einsehen sowie die Integrität des sie betreffenden Registerinhalts ohne Zutun Dritter überprüfen.
Anwendungsfälle
Als Registerwertrechte kommen sämtliche Rechte in Frage, die in Wertpapieren verbrieft werden können. Dies sind:
- obligatorische Ansprüche (vertretbare sowie nicht vertretbare Rechte);
- Mitgliedschaftsrechte, die als Wertpapiere oder Wertechte ausgegeben werden können (Mitgliedschaftsrechte von Aktien- und Kommanditaktiengesellschaften);
- dingliche Rechte, die als Wertpapiere oder Wertrechte ausgegeben werden können.
Neben denjenigen gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaften, welche gemäss Gesetz einer Verbriefung zugänglich sind, können auch Anteile an Realwerten und Anteile an anderen Vermögenswerten, welche in der Form von sog. Anlage-Token (Asset Token) ausgegeben werden, sowie Nutzungsrechte, welche in der Form von sog. Nutzungs-Token (Utility Token) ausgegeben werden, als Registerwertrechte ausgestaltet werden, letztere jedenfalls sofern und soweit diese zivilrechtlich eine Forderung darstellen. Ebenfalls zulässig in der Form von Registerwertrechten sind Token, welche vom Herausgeber als Zahlungsmittel ausgegeben werden (z.B. Stablecoins). Solche Tokens stellen regelmässig eine Forderung gegenüber dem Herausgeber dar und sind deshalb der Verbriefung und somit auch der Ausgestaltung als Registerwertrecht zugänglich.
Der Ausgestaltung als Registerwertrecht nicht zugänglich sind hingegen reine Kryptowährungen bzw. kryptobasierte Zahlungsmittel (Payment Token oder Bare-Bone-Token) wie beispielsweise der Bitcoin oder der Ether. Diese werden nicht von einem Emittenten herausgegeben und vermitteln keine Ansprüche gegenüber einem solchen. Sie werden deshalb als rein immaterielle Vermögenswerte qualifiziert.
Rechtliche Wirkungen der Registerwertrechte
Die Wirkung der Registerwertrechte sind den Wertpapieren nachgebildet. Der Schuldner des Registerwertrechts ist deshalb nach Art. 973e Abs. 1 OR nur gegenüber dem im Register ausgewiesenen Gläubiger zu leisten berechtigt und verpflichtet (Präsentationswirkung). Umgekehrt wird der Schuldner gemäss Art. 973e Abs. 2 OR nur durch Leistung an den im Register bezeichneten Gläubiger befreit, selbst wenn dieser nicht der tatsächliche Gläubiger ist (Legitimationswirkung). Überdies wird der gutgläubige Erwerber eines Registerwertrechts gem. Art. 973e Abs. 3 OR in seinem Erwerb geschützt (Verkehrsschutz).
Gemäss Art. 973e Abs. 4 OR sind Einreden gegen Forderungen aus einem Registerwertrecht nur zulässig, wenn sie:
- entweder gegen die Gültigkeit der Registrierung gerichtet sind oder aus dem Wertrechteregister oder dessen Begleitdaten selbst hervorgehen;
- dem Schuldner persönlich gegen den aktuellen Gläubiger des Registerwertrechts zustehen; oder
- sich auf die unmittelbare Beziehung des Schuldners zu einem früheren Gläubiger des Registerwertrechts gründen, wenn der aktuelle Gläubiger bei dem Erwerb des Registerwertrechts bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat.
Zu den Anforderungen an das Wertrechteregister
Die materiellen Anforderungen, welche an ein Wertrechteregister gestellt werden, lassen sich in folgende Themenbereiche gliedern:
- Verfügungsmacht (Art. 973d Abs. 2 Ziff. 1 OR);
- Integrität (Art. 973d Abs. 2 Ziff. 2 OR); und
- Publizität (Art. 973d Abs. 2 Ziff. 3 und 4 OR).
Verfügungsmacht
In Bezug auf den Aspekt der Verfügungsmacht wird zunächst exklusive Beherrschbarkeit der Registerwertrechte gefordert. Mit anderen Worten müssen die Gläubiger die Möglichkeit haben, über die Registerwertrechte ähnlich wie über eine Sache verfügen zu können. Weiter muss die Verfügungsmacht des Schuldners über die Registerwertrechte zwingend ausgeschlossen sein (Art. 973d Abs. 2 Ziff. 1 OR). Die Verfügungsmacht durch die Gläubiger unter Ausschluss des Schuldners unterscheidet sich von rein zentral geführten Registern, welche heute bereits vom Bucheffektengesetz erfasst werden.
Integrität
In Bezug auf die Integrität des Wertrechteregisters wird verlangt, dass technische und organisatorische Massnahmen geschaffen werden, damit die Rechtslage korrekt abgebildet werden kann. Die Daten und Operationen des Registers dürfen nicht einseitig unbefugt veränderbar sein. Einer Partei darf es beispielsweise nicht möglich sein, selbständig unbefugte Veränderungen in der Transaktionshistorie zu bewirken oder eine nicht vorgesehene Umverteilung der Registerwertrechte zu veranlassen.
Publizität
Das Register muss Aufschluss über das verbriefte Recht geben. Der Inhalt des Rechts (Höhe der Beteiligung, Höhe der der Forderung, Fälligkeitszeitpunkt usw.) muss daraus erkennbar sein, damit dieses handelbar ist. Die Registrierungsvereinbarung sowie die Funktionsweise des Registers, d.h. die Art, wie Buchungen ausgeführt werden, müssen für die Parteien ebenfalls klar und transparent sein.
Nicht sämtliche Informationen müssen zwingend im Register selbst abgebildet sein. Zulässig ist auch eine Verknüpfung lesbarer Begleitdaten (z.B. ein White Paper, Statuten, Prospekte, etc.) mit dem Register. Die Verknüpfung muss jedoch technisch erfolgen und die Basisinformationen dadurch manipulationsresistent werden.
Die Parteien müssen Einsicht in die sie betreffenden Registereinträge haben. Dazu gehört auch, dass die Parteien die Integrität der sie betreffenden Einträge ohne Mitwirkung Dritter (wozu auch der Schuldner zu zählen ist) überprüfen können. Trotz der technologieneutralen Formulierungen ist hier die Bezugnahme auf eine zentrale Eigenschaft von DLT und insbesondere Blockchain Technologien erkennbar.
Pflichten des Schuldners im Zusammenhang mit dem Wertrechteregister
Der Schuldner wird in Art. 973d Abs. 3 OR verpflichtet, sicherzustellen, dass das Wertrechteregister entsprechend organisiert ist und die Funktionsweise, wie in der Registrierungsvereinbarung festgelegt, jederzeit sichergestellt ist.
Zur Übertragung von Registerwertrechten
Gemäss Art. 973f Abs. 1 OR untersteht die Übertragung von Registerwertrechten den Regeln der Registervereinbarung und somit der Parteiautonomie. Anders als beispielsweise die Übertragung von Wertrechten (Art. 973c Abs. 4 OR) ist für die Übertragung eines Registerwertrechts keine schriftliche Abtretungserklärung erforderlich. Für die Übertragung von Registerwertrechten reicht ein gültiges Verpflichtungsgeschäft (z.B. ein Kaufvertrag) sowie die eigentliche Übertragung des Registerwertrecht über das Wertrechteregister.
Gemäss Art. 973g Abs. 1 OR kann eine Sicherheit (z.B. ein Pfandrecht oder eine Nutzniessung) auch ohne Übertragung des Registerwertrechts errichtet werden, wenn die Sicherheit im Wertrechteregister ersichtlich ist und gleichzeitig gewährleistet ist, dass ausschliesslich der Sicherungsnehmer im Falle der Nichtbefriedigung über das Registerwertrecht verfügen kann.
DLT-Aktien
Die Möglichkeit zur Ausgabe von DLT-Aktien durch schweizerische Aktiengesellschaften wurde, wie eingangs erwähnt, durch die Anpassung von Art. 622 Abs. 1 OR geschaffen.
Gemäss der revidierten Bestimmung können die Statuten vorsehen, dass die Aktien als Wertrechte nach Art. 973c (einfache Wertrechte) oder 973d OR (Registerwertrechte) oder als Bucheffekten i.S.d. BEG ausgegeben werden.
Durch das Erfordernis einer statutarischen Grundlage wird einerseits Transparenz geschaffen, andererseits aber auch verhindert, dass der Verwaltungsrat Aktien in der Form von Registerwertrechten gegen den Willen der Aktionäre einführt. Die Statuten können hierbei entweder die direkte Verknüpfung der Aktionärsstellung mit einem Token vorsehen oder aber den Verwaltungsrat zur Tokenisierung der Aktien ermächtigen.
Die Verantwortung für die Wahl der Registertechnologie sowie für die Sicherheit, die Qualität und die Einhaltung weiterer Bedingungen, beispielswiese in einem Smart Contract, welcher die Eigenschaften des Wertrechts bzw. der Aktien definiert, liegt dabei bei der Gesellschaft. Dazu gehört auch die Ausgestaltung der Registertechnologie in einer Art und Weise, dass, beispielsweise bei Vorliegen einer statutarischen Vinkulierung von Namenaktien, Übertragungen der als Registerwertrechte ausgegeben Aktien nicht ohne die vorgängige Zustimmung der Gesellschaft möglich sind.
Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Wertrechteregister i.S.v. Art 973d OR gleichzeitig auch als elektronisch geführtes Aktienbuch, Verzeichnis der Inhaberaktionäre und/oder Verzeichnis über die der Gesellschaft gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen fungieren kann und folglich die Führung separater Register nicht mehr notwendig ist. Hierfür ist einzig erforderlich, dass das Wertrechteregister auch die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen (vgl. Art. 686 und 697l OR) erfüllt.
Noch nicht in Kraft gesetzte Änderungen der DLT-Vorlage
Mit der vollständigen Inkraftsetzung der DLT-Vorlage werden auch noch Bestimmungen in anderen Erlassen geändert, aufgehoben und/oder neu eingeführt werden. Davon betroffen sind das SchKG, das FIDLEG, das NBG, das BankG, das FINIG, das GwG, das BEG, und das FinfraG.
Die Anpassung des FinfraG sieht beispielsweise eine neue Bewilligungskategorie für Handelsplattformen vor, auf welchen DLT-Effekten gehandelt werden. In dieser Hinsicht werden die Bewilligungsvoraussetzungen und Pflichten gem. Art. 4 ff. FinfraG auf solche DLT-Handelssysteme erweitert und gelangen entsprechend zur Anwendung.
Die übrigen Bestimmungen der DLT-Vorlage werden voraussichtlich per 1. August 2021 in Kraft gesetzt.
Autoren: Michael Güntert (Associate) und Florian Schnyder (Associate)
Keine Rechts- oder Steuerberatung
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