Rechtliche Aspekte freiwilliger Einschränkung der Leistungserbringung bei Verträgen mit Bezug zu Russland | Pestalozzi Attorneys at Law

Rechtliche Aspekte freiwilliger Einschränkung der Leistungserbringung bei Verträgen mit Bezug zu Russland

15.03.2022

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Key Takeaways

  • Viele Geschäftsbeziehungen mit Russland sind nicht direkt von den Sanktionen betroffen, aber die Vertragserfüllung wird indirekt durch die Sanktionen erschwert
  • Freiwillige Einschränkungen der Leistungserbringung bei Verträgen mit Bezug zu Russland können eine Vertragsverletzung mit entsprechenden finanziellen Risiken darstellen
  • Vor der Einschränkung der Vertragserfüllung sollten Verträge mit Bezug zu Russland überprüft und rechtliche und vertragliche Möglichkeiten beim Umgang mit den vertraglichen Verpflichtungen analysiert werden

Einleitung

Als Reaktion auf die von den USA, der EU und der Schweiz verhängten Sanktionen gegen Russland bzw. russische Staatsangehörige und Institutionen sowie auf die unsichere Lage haben einige Unternehmen die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland eingestellt oder die Erfüllung von Verträgen mit Russland-Bezug eingeschränkt. Dieses Legal Update verschafft einen Überblick darüber, was bei freiwilligen Einschränkungen von Geschäftsbeziehungen bzw. der Vertragserfüllung zu beachten ist.

Direkte Anwendbarkeit der Sanktionen

Im Grundsatz gilt es zu beachten, dass zum heutigen Zeitpunkt nicht sämtliche wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland oder russische Unternehmen untersagt sind. Ebenso wenig gelten alle russischen Unternehmen oder russische Staatsangehörige als sanktioniert. Wirtschaftsbeziehungen, die keine verbotenen, kontroll- oder meldepflichtigen Güter oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben und keinen Bezug zu sanktionierten Personen aufweisen, können grundsätzlich weitergeführt werden.

In einem ersten Schritt sollten Unternehmen analysieren, inwiefern das Geschäftsfeld oder einzelne Güter und Dienstleistungen von den Sanktionen betroffen sind. Kriterien für die Anwendbarkeit der Sanktionen sind nicht nur die angebotenen oder bezogenen Waren und Dienstleistungen, sondern auch der Sitz der Parteien, der Erfüllungs- bzw. Lieferort oder der endgültige Verwendungs- bzw. Einsatzort. Sodann ist zwischen gänzlich verbotenen Tätigkeiten und Tätigkeiten, die einer Meldepflicht unterstellt sind, zu unterscheiden. Unter Umständen kann die Frage, ob ein Tätigkeitsfeld von Sanktionen betroffen ist, nicht leichthin beurteilt werden.

Sind vertragliche Beziehungen direkt von Sanktionen betroffen, stehen beim Umgang mit den vertraglichen Verpflichtungen diverse Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. 

Indirekte Auswirkungen der Sanktionen

Sind die Sanktionen nicht direkt anwendbar, können sie sich gleichwohl indirekt auf die Erfüllungsmöglichkeiten der vertraglichen Verpflichtungen auswirken. Beispielhaft sei hier der Ausschluss vom internationalen Zahlungsdienstleistungssystem Swift erwähnt. Einerseits wird dadurch der Zahlungsverkehr beeinträchtigt und andererseits die Finanzierung und Absicherung von Geschäften erschwert. Gänzlich verboten wurde der Zahlungsverkehr mit Russland damit aber nicht. Zahlungs- und Warenströme werden damit "nur" erschwert, aber nicht verunmöglicht. Russland steht für die Abwicklung internationaler Geldüberweisungen insbesondere noch das eigene Zahlungsnetzwerk SPFS sowie die chinesische Alternative CIPS zur Verfügung. Bei solchen Auswirkungen stellt sich die Frage, in welchem Masse ein Zusatzaufwand bei der Vertragserfüllung noch gerechtfertigt ist.

Ein wichtiger Faktor, der als indirekte Auswirkung zu qualifizieren ist, ist eine politische oder die risikobasierte Positionierung des Unternehmens, die die Einstellung oder Einschränkung von Geschäftsbeziehungen mit Bezug zu Russland erfordern kann. Hierzu gehört auch die Einschränkung von Dienstleistungen in Erwartung noch nicht beschlossener, aber in naher Zukunft vermuteter Sanktionen. Bei solch freiwilligen Massnahmen ist ein Rücktritt vom Vertrag oder eine Nichterfüllung in der Regel nicht leicht zu begründen. Werden vertragliche Verpflichtungen ungerechtfertigterweise nicht oder nicht vertragsgemäss erfüllt, drohen Schadenersatzansprüche oder allfällige vertraglich festgehaltene Konventionalstrafen.

Internationale Konzerne stehen ausserdem vor der Frage des Umgangs mit den in Russland ansässigen Gruppengesellschaften. Gewisse Konzerne haben ihre internen Beziehungen zu den in Russland ansässigen Gesellschaften eingeschränkt. In diesem Zusammenhang können globale Verträge Schwierigkeiten breiten, die Verpflichtungen enthalten, welche von den in Russland ansässigen Gruppengesellschaften zu erfüllen sind. Solche Verträge können nicht ohne Weiteres ausgesetzt werden, insbesondere dann nicht, wenn keine direkten Auswirkungen der Sanktionen feststellbar sind. Um keine Vertragsverletzung zu riskieren, sollten multilaterale Verträge sorgfältig durchleuchtet werden. Dies erfordert eine genaue Prüfung der konkreten Umstände, der Anwendbarkeit der Sanktionen auf die betroffene Geschäftsbeziehung und der Auswirkungen auf die Erfüllungsmöglichkeiten. Auch mit den vertragsgegenständlichen Gütern und Dienstleistungen einhergehende gruppeninterne Geldflüsse sind in diesem Zusammenhang zu analysieren.

Rechtliche Handlungsspielräume bei der Vertragserfüllung

Im Schweizerischen Vertragsrecht gilt der Grundsatz "pacta sunt servanda". Vertragliche Verpflichtungen müssen grundsätzlich erfüllt werden, es sei denn, das Gesetz oder der Vertrag selbst bieten Raum für Rücktritt vom Vertrag oder anderweitige Abweichungen von vertraglichen Bestimmungen. Für Unternehmen gilt es daher sicherzustellen, dass angemessene Massnahmen zur Beachtung der Sanktionen getroffen werden, ohne nicht von Sanktionen betroffene vertragliche Verpflichtungen zu verletzen. Auf gesetzlicher Ebene sind insbesondere folgende Aspekte zu prüfen, die unterschiedliche Folgen mit sich bringen:

  • Clausula Rebus Sic Stantibus 
  • Höhere Gewalt (Force Majeure)
  • Verschuldete nachträgliche Unmöglichkeit (objektiv / subjektiv)
  • Unverschuldete nachträgliche Unmöglichkeit (objektiv / subjektiv)
  • Gläubigerverzug / Annahmeverzug.

Die Anwendbarkeit dieser rechtlichen Instrumente ist nur auf Grundlage des entsprechenden Vertrages und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles möglich. Wir unterstützen Sie gerne bei der entsprechenden Analyse und beraten beim weiteren Vorgehen.

Nächste Schritte

Unternehmen mit laufenden Geschäftsbeziehungen mit Bezug zu Russland sollten die bestehenden Verträge im Lichte der Sanktionen überprüfen. Insbesondere sollte eine Unterscheidung vorgenommen werden, welche Sanktionen direkte Auswirkungen auf die vertraglichen Verpflichtungen haben, und welche Verpflichtungen aufgrund strategischem, finanziellem oder sonstigem zusätzlichem Erfüllungsaufwand nicht oder nicht in der vorgesehenen Weise erfüllt werden können. Je nach Geschäftsfeld und konkreter Vertragsgestaltung stehen verschiedene Instrumente im Umgang mit der Vertragserfüllung zur Verfügung.

Pestalozzi hat langjährige Erfahrung mit der Ausarbeitung, Verhandlung und Durchsetzung vertraglicher Verpflichtungen. Wir unterstützen gerne bei der Analyse Ihrer Geschäftsbeziehungen und beraten gerne, welche Möglichkeiten im Umgang mit direkten und indirekten Auswirkungen der Sanktionen auf vertragliche Beziehungen zur Verfügung stehen.

Pestalozzi gibt Antworten auf die vielfältigen rechtlichen Fragen, mit welchen Unternehmen im Zusammenhang mit Sanktionen konfrontiert sind. Besuchen Sie unser Sanctions Resource Center für schnelle, praktische und effiziente Informationen.

Autoren: Niku Gholamalizadeh (Associate)

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Keine Rechts- oder Steuerberatung

Dieses Legal Update gibt einen allgemeinen Überblick über die Rechtslage in der Schweiz und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Falls Sie Fragen zu diesem Legal Update haben oder Rechtsberatung hinsichtlich Ihrer Situation benötigen, wenden Sie sich bitte an Ihren Ansprechpartner bei Pestalozzi Rechtsanwälte AG oder an eine der in diesem Legal Update erwähnten Kontaktpersonen.

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