Neues Verjährungsrecht tritt per 1. Januar 2020 in Kraft
Am 1. Januar 2020 wird das revidierte Verjährungsrecht in Kraft treten. Die Revision bringt einige Änderungen mit sich, welche sowohl für Grossunternehmen als auch Einzelpersonen zentral sein können.
Welche Änderungen bringt das revidierte Verjährungsrecht mit sich?
Hauptziel der Revision war, die im europäischen Vergleich kurzen Verjährungsfristen von einem Jahr für Klagen aus unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung zu verlängern. Die Verjährungsfristen für diese Klagen betragen nun drei Jahre ab Kenntnis des Anspruchs (neu Art. 60 Abs. 1 OR und neu Art. 67 Abs. 1 OR).
Daneben werden auch die Verjährungsfristen für verschiedene weitere Forderungen angepasst, mit zum Teil weitreichenden Konsequenzen. Primär werden die Verjährungsfristen für Forderungen auf Schadensersatz oder Genugtuung wegen Körperverletzung oder Tötung eines Menschen verlängert. Die Forderungen verjähren neu mit Ablauf von drei Jahren (vorher: einem Jahr) ab Kenntnisnahme vom Schaden, jedenfalls aber mit Ablauf von 20 Jahren (vorher: zehn Jahre) vom Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens. Dies gilt sowohl für Forderungen aus einem Vertrag zwischen Schädiger und Geschädigtem (neu Art. 128a OR) als auch aus unerlaubter Handlung (neu Art. 60 Abs. 1bis OR). Nicht angepasst werden jedoch die Verjährungsfristen des Produktehaftpflichtgesetzes (PrHG). Diese Änderung kann zentral sein für Einzelpersonen, aber auch Med-Tech- und Pharma-Unternehmen, gegen welche Produktehaftpflichtansprüche aus unerlaubter Handlung (Art. 41 ff. OR) geltend gemacht werden.
Verlängert wird auch die Verjährungsfrist für Anfechtungsklagen im Anschluss an einen Konkurs, eine erfolglose Pfändung oder eine Bestätigung eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung. Sie beträgt neu nicht mehr zwei, sondern drei Jahre (neu Art. 292 SchKG). Die Neuerung kann insbesondere für Gläubiger eines zahlungsunfähigen Schuldners entscheidend sein. Sie haben neu drei Jahre Zeit, um ihre Klagen vorzubereiten und schliesslich einzureichen.
Neben den oben beschriebenen Änderungen wurden auch noch weitere Verjährungsfristen verlängert, welche in der Praxis von Bedeutung sind, so z.B. für Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche aus Unfällen mit Motorfahrzeugen oder für Ansprüche aus Staatshaftung. Diese betragen neu drei Jahre (neu Art. 83 Abs. 1 Strassenverkehrsgesetz und neu Art. 20 Abs. 1 Verantwortlichkeitsgesetz).
Die Revision normiert zudem die Einigung über den Stillstand der Verjährungsfristen während Vergleichsgesprächen (neu Art. 134 Abs. 1 Ziff. 8 OR). Dies erlaubt es den Parteien, eine einvernehmliche Lösung eines Streits ohne Druck ablaufender Verjährungsfristen zu verhandeln.
Schliesslich sieht das revidierte Verjährungsrecht explizit vor, dass ein Schuldner ab Beginn der Verjährung jeweils für höchstens zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten kann (neu Art. 141 Abs. 1 OR). Auch dies ermöglicht es einem Gläubiger, sich ohne Verjährungsdruck mit seinem Schuldner aussergerichtlich zu einigen.
Welche Auswirkungen hat das revidierte Verjährungsrecht?
Das neue Verjährungsrecht bringt sowohl für Unternehmen als auch Einzelpersonen einige bedeutende Risiken, aber auch Chancen mit sich. So kommen die neuen Verjährungsfristen auf alle Forderungen zur Anwendung, welche am 1. Januar 2020 noch nicht verjährt sind (neu Art. 49 Abs. 1 SchlT ZGB). Unter Umständen kann sich daher die Verjährungsfrist für eine Schadenersatzklage wegen Körperverletzung oder Tötung, welche nach bisherigem Recht anfangs 2020 verjährt wäre, effektiv nochmals um 10 Jahre verlängern. Unternehmen, welche solche Klagen befürchten, sehen sich daher mit einer verlängerten Unsicherheit konfrontiert.
Weiter kann bei den in der Praxis häufig anzutreffenden Vereinbarungen über einen Verzicht auf die Verjährung unklar sein, wie diese nach neuem Recht zu qualifizieren und zu handhaben sind. Diese Unsicherheit wiederum kann zu Risiken für den Gläubiger und Chancen für den Schuldner führen.
Ebenso können Beweisprobleme als Folge der verlängerten Verjährungsfristen entstehen, zumal die entsprechenden Unterlagen (bspw. Patientenakten) in der Regel nicht während 20 Jahren aufbewahrt werden. Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) empfiehlt daher, gerade auch mit Blick auf Arzthaftpflichtfälle, die Krankengeschichte neu während 20 Jahren aufzubewahren.
Die Risiken und Chancen, welche das neue Verjährungsrecht mit sich bringt, sollten nicht unterschätzt werden. Pestalozzi Rechtsanwälte AG verfügt über verschiedene ausgewiesene Spezialisten auf dem Gebiet des Verjährungsrecht, welche den betroffenen Unternehmen und Einzelpersonen bei der Analyse der neuen Rechtslage gerne zur Seite stehen.