Neue Standortförderungsmassnahmen in der Schweiz – eine Chance für Unternehmen
Key takeaways
- OECD-Mindeststeuer (15%) verändert die Standortvorteile der Schweiz: Steuerliche Anreize wie Patentbox oder F&E-Zusatzabzug verlieren stark an Bedeutung und Wirkung, da sie den effektiven Steuersatz unter 15% drücken würden und dadurch eine Ergänzungssteuer ausgelöst wird.
- Kantone stehen im Zentrum der neuen Standortförderung: Da Unternehmenssteuern primär kantonal erhoben werden, müssen die Kantone neue Fördermassnahmen entwickeln. Besonders betroffen sind Tiefsteuerkantone mit vielen internationalen Konzernen (z. B. Zug, Basel-Stadt, Schaffhausen).
- Einführung neuer Instrumente wie Subventionen und qualifizierenden Steuergutschriften (QRTC): Statt Steuersatzsenkungen setzen Kantone vermehrt auf Förderfonds, direkte Subventionen oder Steuergutschriften, die OECD-konform sind, weil sie nicht an Gewinn gekoppelt sind. Schwerpunkte liegen auf Innovation, Nachhaltigkeit, Infrastruktur, Bildung und sozialen Themen.
- Fortschritte in den Kantonen variieren stark: Basel-Stadt, Graubünden und Zug (letzte Woche vom Parlament klar gutgeheissen aber dem Referendum unterstellt) haben die Umsetzung ihrer Vorlagen beschlossen, während Luzern noch im Gesetzgebungsprozess ist. Westschweizer Kantone (z. B. Waadt, Neuenburg, Genf) setzen stärker auf direkte Subventionen und Förderprogramme basierend auf bestehenden gesetzlichen Grundlagen.
- Unternehmen müssen frühzeitig aktiv werden: Firmen – insbesondere aus Life Sciences, Pharma, MedTech und Tech – sollten kantonale Entwicklungen genau verfolgen, früh den Dialog mit Behörden suchen und Fristen strikt einhalten, da diese als Verwirkungsfristen gelten. Zudem sind die Auswirkungen der Subventionen auf die Mehrwertsteuer (Vorsteuerabzug) zu beachten.
Einleitung
Die Schweiz hat im Rahmen der OECD-Initiative BEPS 2.0 die Regeln zur weltweiten Mindestbesteuerung übernommen. In der Schweiz steuerpflichtige Gesellschaften von multinationalen Unternehmen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro werden daher grundsätzlich Steuern auf dem relevanten Gewinn von mindestens 15% abliefern müssen. Um dies sicherzustellen, hat die Schweiz zum 1. Januar 2024 eine nationale Ergänzungssteuer (QDMTT) und zum 1. Januar 2025 eine internationale Ergänzungssteuer (IIR) eingeführt.
Mit der Einführung dieser Mindeststeuer verlieren die bisher sehr erfolgreichen steuerlichen Standortförderungsmassnahmen der Schweiz für multinationale Unternehmen an Bedeutung. Sofern die Wirkung bestehender Steuererleichterungen wie dem F&E-Zusatzabzug, der Patentbox oder allgemeiner Steuerbefreiungen zu einem effektiven Steuersatz unter 15% führt, wird stattdessen eine (höhere) Ergänzungssteuer erhoben. Vor diesem Hintergrund führen verschiedene Kantone neue Standortförderungsmassnahmen wie qualifizierende Steuergutschriften oder Subventionen für Innovationsförderung ein, die sich nicht auf den anwendbaren Gewinnsteuersatz auswirken. Dieser Artikel zeigt auf, wie bestehende und zuziehende Unternehmen – unabhängig von ihrer Grösse – von diesen neuen Standortförderungsmassnahmen profitieren können.
Wie ist die Zuständigkeit von Standortförderungsmassnahmen in der Schweiz geregelt?
In der Schweiz ist die Zuständigkeit für Standortförderungsmassnahmen auf verschiedene Ebenen verteilt: Bund, Kantone und Gemeinden haben jeweils eigene Aufgaben und Kompetenzen. Der Bund fördert den Wirtschaftsstandort Schweiz durch das SECO, das Investitionen, Innovationen und Exportgeschäfte unterstützt. Wichtige Massnahmen sind die Neue Regionalpolitik (NRP), Steueranreize, Tourismusförderung und die Ansiedlung internationaler Unternehmen über Switzerland Global Enterprise.
Aufgrund des föderalen Systems der Schweiz, spielen die Kantone die wichtigste Rolle bei der Standortförderung. Die Kantone fördern bislang Unternehmen primär durch Steueranreize. Daneben spielen aber auch Infrastrukturprojekte und die kantonalen Wirtschaftsförderungen eine wichtige Rolle. Ferner arbeiten die Kantone eng mit Hochschulen und Innovationszentren zusammen, um den Standort attraktiv zu gestalten und Investitionen anzuziehen.
Die Gemeinden fördern die lokale Wirtschaft durch die Bereitstellung von Gewerbeflächen, Unterstützung von kleinen und mittelgrossen Unternehmen und Massnahmen zur Standortattraktivität. Sie investieren in Infrastruktur, Netzwerke und Lebensqualität, um Unternehmen und Fachkräfte anzuziehen.
Welche Ebene ist aufgrund der Mindestbesteuerung am meisten gefordert?
Aufgrund der Mindestbesteuerung für grosse Konzerne sind vor allem die Kantone am meisten gefordert. Das liegt daran, dass die Unternehmenssteuern in der Schweiz grösstenteils auf kantonaler Ebene erhoben werden und viele Kantone bislang mit niedrigen Steuersätzen attraktive Bedingungen für Firmen geschaffen haben. Mit der Mindestbesteuerung verlieren sie diesen Standortvorteil.
Es sind allerdings nicht alle Kantone gleich stark von der Mindestbesteuerung betroffen. Besonders betroffen sind Kantone mit traditionell sehr niedrigen Unternehmenssteuersätzen und einer hohen Konzentration internationaler Konzerne, da diese Unternehmen künftig mindestens 15% Gewinnsteuer zahlen müssen. Damit erhalten die besonders betroffenen Kantone aber auch mehr Steuereinnahmen, mit welchen Sie neue Standortförderungsmassnahmen finanzieren können.
Welche Herausforderungen und Einschränkungen gibt es bei der Entwicklung neuer Standortförderungsmassnahmen?
In Bezug auf die Einführung neuer Standortförderungsmassnahmen, verfügen die Kantone grosse Freiheiten. Der Bund hält sich bewusst zurück und will den Kantonen keine spezifischen Vorgaben machen. Die Kantone müssen allerdings bei der Gestaltung von Standortförderungsmassnahmen die Bundesverfassung sowie internationale Verpflichtungen und Richtlinien einhalten. Dies bedeutet, dass Massnahmen nicht diskriminierend sein dürfen und keine unzulässigen Wettbewerbsverzerrungen verursachen dürfen.
Aus internationaler Sicht ist insbesondere die Vereinbarkeit mit den OECD-Regeln zu beachten, welche verlangen, dass die Massnahmen allgemein zugänglich sind und nicht an den Gewinn der Unternehmen geknüpft wird. Dies schränkt die Möglichkeiten gezielt sehr profitable Unternehmen zu fördern und anzuziehen deutlich ein. Ferner muss die im EU-Beihilfe-Recht verankerte "Nicht-Selektivität" der Massnahme sichergestellt sein.
Aus politischer Sicht ist sodann zu beachten, dass nicht alle Kantone signifikante Mehreinnahmen erwarten. Entsprechend sind die finanziellen Mittel diverser Kantone begrenzt. Die Einführung neuer Fördermassnahmen erfordert daher eine sorgfältige Abwägung zwischen den erwarteten wirtschaftlichen Vorteilen und den Kosten. Zudem müssen die Kantone sicherstellen, dass die Massnahmen langfristig tragfähig sind und keine übermässige Belastung für den Staatshaushalt darstellen.
Dies führt dazu, dass die Kantone, die Massnahmen auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zuschneiden. Die verschiedenen Pakete und Stossrichtungen sind stark geprägt von den finanziellen Mitteln, der lokalen Unternehmensstruktur sowie allfällige Schwerpunkte in Bezug auf die Ansiedlungsbemühungen.
Was ist der generelle Fokus dieser neuen Standortförderungsmassnahmen?
Der Fokus der geplanten und teilweise auch bereits beschlossenen Standortförderungsmassnahmen in den aktiven Kantonen geht in eine ähnliche Richtung. Folgende Förderungsschwerpunkte sind dabei erkennbar:
- Investitionen in Innovation und Forschung: Förderung von Forschungsprojekten und Zusammenarbeit mit Hochschulen, um die Innovationskraft zu stärken. Investitionen in den Forschungs- und Produktionsstandort Schweiz sollen vermehrt gefördert werden.
- Nachhaltigkeit: Förderung umweltfreundlicher Technologien und nachhaltiger Unternehmenspraktiken.
- Infrastrukturausbau: Verbesserung der Verkehrsanbindungen und digitalen Infrastruktur, um optimale Bedingungen für Unternehmen zu schaffen.
- Bildungsinitiativen: Aus- und Weiterbildung von Fachkräften, um den Bedarf der Wirtschaft zu decken.
- Soziale Aspekte: Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie weitere sozialpolitischen Anliegen.
Welche Kantone sind am weitesten mit der Einführung neuer Massnahmen?
Die Kantone Basel-Stadt, Graubünden und Zug sind derzeit am weitesten fortgeschritten mit der Einführung neuer Massnahmen zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und zur Abfederung der Auswirkungen der OECD-Mindestbesteuerung.
Welche weiteren Kantone arbeiten an konkreten Gesetzesvorlagen?
Neben Basel-Stadt, Graubünden und Zug hat Luzern ebenfalls eine konkrete Gesetzesvorlage publiziert und ein entsprechendes Vernehmlassungsverfahren gestartet. Andere Kantone halten sich mit konkreten Vorlagen zur Änderung der Gesetze noch zurück, arbeiten dem Vernehmen nach aber an solchen.
In den Westschweizer Kantonen sind direkte Subventionen für Firmen weiterverbreitet, als in den Deutschschweizer Kantonen und solche können auch ohne Gesetzesänderung gesprochen werden. So hat beispielsweise der Kanton Waadt insgesamt CHF 23 Mio. an direkten Subventionen zur Verfügung gestellt, mit denen der Kauf neuer Produktionsmaschinen gefördert werden soll. Mitte Februar hat das Neuenburger Parlament einen Fond in Höhe von CHF 25 Mio. über fünf Jahre beschlossen, aus dem zinslose Kredite an Unternehmen gewährt werden sollen, die ihren Maschinenpark erneuern. Ferner bewilligte der Kanton Neuenburg Subventionen von CHF 7 Mio. für eine Chip-Produktionslinie im Kanton. Der Kanton Genf plant ein Programm auszubauen, das Kredite an Startups und KMU vergeben soll und gedenkt dafür CHF 8 Mio. einzusetzen.
Ganz allgemein kann man sagen, dass sich insbesondere die stark betroffenen Kantone, wie Genf, Schaffhausen und Waadt, intensiv Gedanken machen und man auch aus diesen Kantonen entsprechende Gesetzesvorlagen erwarten kann, die darauf abzielen weiterhin attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmen zu schaffen.
Welche konkreten Eckwerte der publizierten Gesetzesvorlagen sind bereits bekannt?
Nachfolgend finden Sie Links zu kantonalen Tabellen mit detaillierteren Informationen zum aktuellen Stand der kantonalen Massnahmen:
Was müssen Unternehmen heute berücksichtigen, die von den neuen Standortförderungsmassnahmen potenziell profitieren können?
Unternehmen, die von den neuen Standortförderungsmassnahmen in der Schweiz profitieren möchten, sollten sich frühzeitig entsprechend vorbereiten und prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Besonders aufmerksam sollten Unternehmen aus den Bereichen Life Sciences, Pharma, MedTech und digitale Technologien sein. Aber Unternehmen aus anderen Branchen können allenfalls von den geplanten Massnahmen profitieren.
Es ist daher sehr ratsam, die Entwicklungen im Auge zu behalten und die jeweiligen Massnahmen genau zu prüfen. Dabei ist nicht zuletzt auch die Wahl des richtigen Kantons entscheidend, insbesondere bei einem sowieso geplanten Umzug oder neuen Investitionen in den Standort Schweiz. Wir empfehlen frühzeitig mit den kantonalen Behörden in Kontakt zu treten, da diese in der Regel offen für Gespräche und Kooperationen sind. So können interessierte Unternehmen zusätzliche Informationen über mögliche Fördergelder und geplante Massnahmen erhalten.
Ferner ist zu beachten, dass die Fristen für die Einreichung von Gesuchen als Verwirkungsfristen ausgestaltet sind und somit zwingend einzuhalten sind. Dabei unterscheiden sich die Fristen in den verschiedenen Kantonen voneinander.
Ebenfalls ist zu beachten, dass die neuen Massnahmen aus Sicht der Mehrwertsteuer als Subventionen gelten und daher einen Einfluss auf den Vorsteuerabzug haben. Diesem Punkt ist im Vorfeld besondere Beachtung zu schenken, damit unnötig negative Konsequenzen vermieden werden können.
Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann Ihnen dabei helfen, administrative Hürden leichter zu überwinden und die Anforderungen der kantonalen Förderinstrumente effizient zu erfüllen. Gerne unterstützen wir Sie bei der Analyse, beim Monitoring der Entwicklung und schliesslich bei der Auswahl und Antragsstellung der für Ihr Unternehmen optimalen Massnahmen. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, wenn Sie weitere Unterstützung wünschen.
Autor: Remo Keller (Partner)
Keine Rechts- oder Steuerberatung
Dieses Legal Update gibt einen allgemeinen Überblick über die Rechtslage in der Schweiz und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Falls Sie Fragen zu diesem Legal Update haben oder Rechtsberatung hinsichtlich Ihrer Situation benötigen, wenden Sie sich bitte an Ihren Ansprechpartner bei Pestalozzi Rechtsanwälte AG oder an eine der in diesem Legal Update erwähnten Kontaktpersonen.
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