Neue Entwicklungen im Schweizer Kartellrecht – Teilrevision des Kartellgesetzes soll Schadenersatzklagen erleichtern und die Fusionskontrolle modernisieren | Pestalozzi Attorneys at Law

Neue Entwicklungen im Schweizer Kartellrecht – Teilrevision des Kartellgesetzes soll Schadenersatzklagen erleichtern und die Fusionskontrolle modernisieren

26.05.2023

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Einleitung

Am 24. Mai 2023 hat der Bundesrat die Botschaft zur Teilrevision des Kartellgesetzes verabschiedet. Mit der vorgeschlagenen Revision sollen mehrere Aspekte des Schweizer Kartellgesetzes revidiert werden, die bereits im Rahmen der gescheiterten Revisionsversuche im Jahr 2012 diskutiert wurden. Gleichzeitig wurden einige neue parlamentarische Vorstösse berücksichtigt. 

Kernpunkte der Botschaft

Wesentliche Elemente der nun vorgelegten Revision sind eine erleichterte Durchsetzung von Ansprüchen vor den Zivilgerichten wie etwa Schadenersatzklagen («Follow-On Damages») und eine Modernisierung der Fusionskontrolle bei Unternehmenszusammenschlüssen (Einführung des «SIEC»-Tests). Weiter sollen auch die Möglichkeiten von Unternehmen zur sanktionsfreien Meldung geplanter Vorhaben erweitert werden (sog. Widerspruchsverfahren), was etwa im Bereich von Sustainability-Kooperationen zwischen Wettbewerbern für mehr Rechtssicherheit sorgen könnte.

Für einen gewissen politischen Zündstoff wird wohl vor allem die neue Regelung betreffend harten Abreden sorgen. Neu soll auf dem Gesetzesweg die Pflicht der Wettbewerbsbehörden verankert werden, die tatsächlichen Auswirkungen von harten Abreden auch in quantitativer Hinsicht zu prüfen, womit die Rechtsprechung des Bundesgerichts von 2016 (Gaba) korrigiert würde.

Der nun veröffentlichten Botschaft ging ein ausführliches Vernehmlassungsverfahren voraus.

Stärkung des Schweizer Kartellzivilrechts

Ein wichtiger Teil der Vorlage besteht in der Stärkung des Schweizer Kartellzivilrechts. Dies soll einerseits durch eine Ausweitung der Aktivlegitimation auf alle von unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen Betroffenen erreicht werden – womit neu auch Konsumentinnen und Konsumenten sowie die öffentliche Hand zu einer Klage berechtigt wären. Zudem würde eine Verjährungshemmung von zivilrechtlichen Ansprüchen aus unzulässiger Wettbewerbsbeschränkung eingeführt. Konkret stünde die Verjährung still oder beginnt erst gar nicht im Zeitraum zwischen der Eröffnung der verwaltungsrechtlichen Untersuchung gem. Art. 27 KG durch die Wettbewerbsbehörden und dem rechtskräftigen Entscheid. Damit soll sichergestellt werden, dass Betroffene Zivilansprüche länger geltend machen können.

Modernisierung der Zusammenschlusskontrolle

Ein zentrales Anliegen der Teilrevision ist zudem die Modernisierung der Zusammenschlusskontrolle. Der im Kartellgesetz vorgesehene qualifizierte Marktbeherrschungstest soll durch den international verwendeten SIEC-Test (Significant Impediment to Effective Competition) ersetzt werden. Der SIEC-Test konzentriert sich nicht mehr ausschliesslich auf Fälle von Marktbeherrschung, sondern ermöglicht insbesondere Eingriffe bei unilateralen (nicht-koordinierten) Effekten unterhalb der Schwelle für eine Einzelmarktbeherrschung. Der Bundesrat begründet die Änderung damit, dass das aktuelle Kontrollsystem den negativen und positiven Auswirkungen von Zusammenschlüssen zu wenig Rechnung trage und die Digitalisierung der Märkte fortschreite, was einen moderneren Test voraussetzt.

Verbesserung des Widerspruchsverfahrens

Auch das bisher weitgehend toter Buchstabe gebliebene Widerspruchsverfahren soll gestärkt werden. Damit sollen die Möglichkeiten für Unternehmen verbessert werden, gerade durch die Meldung etwa von innovativen Vorhaben mehr Rechtssicherheit zu erlangen. Das direkte Sanktionsrisiko für Unternehmen hinsichtlich der gemeldeten Verhaltensweise soll endgültig erläschen, wenn die Wettbewerbsbehörden innert der Widerspruchsfrist keine Untersuchung nach Art. 27 KG eröffnen. Die Widerspruchsfrist soll zudem von fünf Monaten auf zwei gekürzt werden.

Sonstige Änderungen

Schliesslich werden im Entwurf auch mehrere parlamentarische Vorstösse umgesetzt:

  • Einerseits sollen Ordnungsfristen sowie eine Parteientschädigung für kartellrechtliche Verfahren eingeführt werden, um Verfahren zu beschleunigen und damit insbesondere die Situation für KMUs in Kartellverfahren zu verbessern.
  • Trotz Ablehnung der WEKO soll weiter Art. 5 KG insofern revidiert werden, als künftig auch bei harten horizontalen und vertikalen Wettbewerbsabreden quantitative Kriterien zusätzlich zu berücksichtigen sind, sodass die faktische Rechtslage vor dem Gaba Entscheid wiederhergestellt wird.
  • In Bezug auf Arbeitsgemeinschaften wird eine neue ausdrückliche Regelung in Art. 4 Abs. 1bis KG eingeführt, wonach Arbeitsgemeinschaften, welche den wirksamen Wettbewerb ermöglichen oder stärken, keine Wettbewerbsabreden darstellen.
  • Schliesslich werden Regeln zum Untersuchungsgrundsatz, zur Unschuldsvermutung und zur Beweislast in das Kartellgesetz aufgenommen.

Die ebenfalls seit längerer Zeit diskutierte Reform der Wettbewerbsbehörden («Institutionenreform») wurde aus dem nun vorgelegten Revisionsvorhaben ausgegliedert. Das zuständige Departement wird aber verschiedene Reformmöglichkeiten prüfen und dem Bundesrat im ersten Quartal 2024 einen Vorschlag für eine entsprechende Reform unterbreiten.

Autoren: Christoph Lang (Partner), Fabian Martens (Partner), Norina Messerli (Junior Associate)

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