Ist Ihr Unternehmen in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig? | Pestalozzi Attorneys at Law

Ist Ihr Unternehmen in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig?

Übersicht

Auch Unternehmen ohne Sitz, Betriebsstätte oder sonstige lokale Präsenz in der Schweiz können in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig werden.

Die in manch anderen Ländern übliche Unterscheidung zwischen B2C- versus B2B-Leistungsverhältnissen gibt es im Schweizer Mehrwertsteuerrecht derzeit so nicht. Änderungen sind geplant.

Im grenzüberschreitenden Verhältnis gelten Betriebsstätte und Hauptsitz als jeweils eigenständige Steuersubjekte für die Schweizer Mehrwertsteuer. Betriebsstätte versus Hauptsitz können in der Schweiz jeweils eigenständig, und ggf. nebeneinander, mehrwertsteuerpflichtig werden.

Für die Frage der Mehrwertsteuerpflicht ausländischer Unternehmen in der Schweiz kann entscheidend sein, ob eine Leistung für Mehrwertsteuerzwecke als eine Lieferung von Gegenständen oder als eine Dienstleistung qualifiziert. Der Begriff der Lieferung wird in der Schweiz weiter definiert als in manch anderen Ländern, namentlich der EU.

Mit einer Änderung des Schweizer Mehrwertsteuergesetzes ist geplant, dass Betreiber von Versandhandelsplattformen (inländische und ausländische) alle Lieferungen von Waren deklarieren und versteuern müssen, die über die Plattform zustande kommen.

Sind ausländische Unternehmen in der Schweiz MWST-pflichtig?

Die Grundregel lautet: Ein ausländisches Unternehmen wird in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig, wenn das Unternehmen einen weltweiten Umsatz von mindestens CHF 100'000 im Jahr hat und auch Leistungen erbringt, die für Mehrwertsteuerzwecke als in der Schweiz ausgeführt gelten ("Leistungsort Schweiz").

Was die Frage betrifft, ob sich der Leistungsort in der Schweiz befindet, unterscheidet die Schweiz, im Unterschied zu manch anderen Ländern, bislang nur ausnahmsweise zwischen B2C- versus B2B-Leistungsverhältnissen. Insbesondere kann ein ausländisches Unternehmen in der Schweiz auch dann mehrwertsteuerpflichtig werden, wenn das Unternehmen Leistungen ausschliesslich an in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtige Abnehmer erbringt. Dies ist relevant insbesondere bei Leistungen, die gemäss dem Schweizer Mehrwertsteuerrecht als Lieferungen von Gegenständen gelten (im Unterschied zu Dienstleistungen).

Wie behandelt die Schweiz Betriebsstätte versus Hauptsitz?

Im Unterscheid zum Mehrwertsteuerrecht manch anderer Länder gelten gemäss dem Schweizer Mehrwertsteuerrecht im grenzüberschreitenden Verhältnis Betriebsstätte und Hauptsitz als jeweils getrennte Steuersubjekte (sog. "Dual-Entity-Prinzip"). Das bedeutet, dass Betriebsstätte versus Hauptsitz in der Schweiz jeweils eigenständig, und ggf. nebeneinander, mehrwertsteuerpflichtig werden können.

Auch können zwischen Betriebsstätte und Hauptsitz mehrwertsteuerrelevante Leistungsbeziehungen bestehen, die beispielsweis die Schweizer Bezugsteuer (sog. "Reverse Charge" MWST) auslösen können.

Gibt es Ausnahmen von der MWST-Pflicht in der Schweiz?

Wenn ein ausländisches Unternehmen in der Schweiz ausschliesslich bestimmte Arten von Leistungen erbringt, besteht für das ausländische Unternehmen keine Verpflichtung, sich in der Schweiz für Mehrwertsteuerzwecke zu registrieren. Werden aber daneben auch andere Leistungen mit Leistungsort Schweiz erbracht, so muss das Unternehmen die gesamten in der Schweiz erbrachten steuerbaren Leistungen versteuern.

Eine solche Ausnahme für ausländische Unternehmen von der Schweizer Mehrwertsteuerpflicht besteht insbesondere für Leistungen, die sog. "ausgenommen" (ohne Vorsteuerabzugsberechtigung) oder "befreit" (mit Vorsteuerabzugsberechtigung) sind, sowie auch für Dienstleistungen (im Unterschied zu Lieferungen von Gegenständen), die dem sog. "Empfängerortsprinzip" unterliegend: Das heisst, für Dienstleistungen, für die das Schweizer Mehrwertsteuergesetz vorsieht, dass der Leistungsort sich dort befindet, wo der Leistungsempfänger ist).

Nicht von der Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz befreit sind allerdings ausländische Unternehmen, die bestimmte Leistungen an nicht mehrwertsteuerpflichtige Empfänger (z.B. private Endverbraucher) erbringen, insbesondere Telekommunikations- oder elektronische Dienstleistungen.

Für die Ausnahme von der Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz kann somit entscheidend sein, ob eine Leistung für Zwecke der Schweizer Mehrwertsteuer eine Lieferung eines Gegenstandes ist, oder eine Dienstleistung.

Die Unterscheidung "Lieferung" versus "Dienstleistung" unter dem Schweizer Mehrwertsteuerrecht kann von der Qualifikation gemäss dem Mehrwertsteuerrecht anderer Länder abweichen. Beispielsweise gelten im Schweizer Mehrwertsteuerrecht auch die Vermietung von Gegenständen oder Arbeiten an Gegenständen (Inbetriebsetzung, Prüfung, Regulierung, Unterhalt, Reparatur etc.) sowie die Installation vor Ort als Lieferungen und nicht als Dienstleistungen. So ist das Gewähren einer Softwarelizenz eine Dienstleistung, eine Software-Installation beim Kunden vor Ort dagegen eine Lieferung.

Erbringen Sie eine "Lieferung" eines Gegenstandes oder eine "Dienstleistung"?

Als Lieferung im Sinne des Schweizer Mehrwertsteuerrechts gelten:

  • Die Verschaffung der Befähigung, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen;
  • Das Abliefern eines Gegenstands, an dem Arbeiten besorgt worden sind, auch wenn dieser Gegenstand dadurch nicht verändert, sondern bloss geprüft, geeicht, reguliert, in der Funktion kontrolliert oder in anderer Weise behandelt worden ist;
  • Die Überlassung eines Gegenstands zum Gebrauch oder Nutzung (z.B. Vermietung oder Leasing).

"Gegenstände" im Sinne dieser Regelungen sind bewegliche und unbewegliche Sachen, sowie Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Ähnliches.

Als Dienstleistung im Sinne des Schweizer Mehrwertsteuerrechts gilt jede Leistung, die nicht eine Lieferung eines Gegenstandes ist. Darunter fällt auch die Gewährung von Rechten, wie z.B. Lizenzen.

Liegt der Ort Ihrer Leistung in der Schweiz?

Für Schweizer Mehrwertsteuerzwecke gilt die Lieferung eines Gegenstandes als in der Schweiz erbracht ("Leistungsort Schweiz"), wenn sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt in der Schweiz befindet, in dem die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Gegenstand auf den Abnehmer übergeht, oder wenn sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Bearbeitung oder der Überlassung zum Gebrauch in der Schweiz befindet.

Wird ein Gegenstand befördert oder versendet (sog. "Beförderungs- / Versandlieferung"), gilt für Schweizer Mehrwertsteuerzwecke eine solche Beförderungs- / Versandlieferung als den dem Ort ausgeführt, an dem die Beförderung oder Versendung beginnt. Das heisst, wird ein Gegenstand aus dem Ausland in die Schweiz befördert / versendet, gilt diese Lieferung als ausserhalb der Schweiz erbracht, so dass allein dieser Versand noch keine Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz auslöst.

Besondere Differenzierungen greifen bei der Lieferung von Gegenständen aus dem Ausland in die Schweiz mit Montage oder Einbau in der Schweiz.

Zudem kennt die Schweiz eine sogenannte Versandhandelsregelung: Die Versandhandelsregelung greift, wenn ein Unternehmen pro Jahr mindestens CHF 100'000 Umsatz aus Kleinsendungen (Einfuhrsteuerbetrag beträgt max. bis zu CHF 5) erzielt, die vom Ausland in die Schweiz befördert oder versendet werden. In einem solchen Fall gelten diese Lieferungen als in der Schweiz erbracht, und das ausländische Unternehmen wird in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig. Dabei ist wiederum unerheblich, ob diese Kleinsendungen an mehrwertsteuerpflichtige oder nicht mehrwertsteuerpflichtige Kunden erfolgen.

Sofern eine Dienstleistung nicht eine Dienstleistung bestimmter Art ist, für die eine spezielle Leistungsortsfiktion vorgesehen ist, gelten für Schweizer Mehrwertsteuerzwecke Dienstleistungen als in der Schweiz erbracht, wenn sich der Leistungsempfänger in der Schweiz befindet (sog. "Empfängerortsprinzip").

Was ist verfahrensrechtlich zu beachten?

Unternehmen sind verpflichtet, sich unaufgefordert innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Mehrwertsteuerpflicht bei der Schweizer MWST-Verwaltung zu registrieren.

In der Schweiz sind Mehrwertsteuerdeklarationen in der Regel vierteljährlich einzureichen. Die dafür relevanten Geschäftsunterlagen sind entsprechend den Schweizer Vorschriften (mindestens 10 Jahre) aufzubewahren und müssen den Schweizer Steuerbehörden zur Prüfung in der Schweiz zugänglich gemacht werden können. Gegenstand einer Prüfung durch die Schweizer Mehrwertsteuerbehörden können auch die ausserhalb der Schweiz erzielten Umsätze des Unternehmens sein, namentlich für die Berechnung der Vorsteuerquote.

Ausländische Unternehmen, die in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig sind, müssen für die Erfüllung ihrer mehrwertsteuerrechtlichen Verfahrenspflichten einen Vertreter bestimmen. Dieser Vertreter muss Sitz in der Schweiz haben, benötigt aber darüber hinaus keine besondere Zulassung oder ähnliches. Möglich ist es beispielsweise, eine andere Schweizer Gruppengesellschaft als Vertreter einzusetzen.

Ausländische Unternehmen, die in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig sind, müssen bei der Eintragung ins Schweizer MWST-Register grundsätzlich eine Sicherheit leisten (Einzahlung bei der Schweizer MWST-Verwaltung oder Garantie einer in der Schweiz ansässigen Bank). Die Garantie bzw. Sicherheitsleistung beträgt grundsätzlich 3% des steuerbaren Inlandumsatzes (ohne Exporte), mindestens jedoch CHF 2'000 und maximal CHF 250'000.

Welche Änderungen sind geplant?

In der Schweiz ist eine Teilreform des Mehrwertsteuergesetzes geplant, mit Inkrafttreten voraussichtlich frühestens 2023.

Bezugsteuer ("Reverse Charge")

Es ist u.a. geplant, dass künftig Leistungen weitergehend als bisher der Bezugsteuer ("Reverse Charge") beim Leistungsempfänger in der Schweiz unterliegen. Solche Leistungen führen dann nicht mehr zu einer Mehrwertsteuerpflicht des ausländischen Unternehmens in der Schweiz.

Soweit allerdings das ausländische Unternehmen (aus anderen Gründen) in der Schweiz als mehrwertsteuerpflichtig registriert ist, muss das Unternehmen auch weiterhin die Mehrwertsteuer für sämtliche Leistungen mit Leistungsort Schweiz selber als Leistungserbringer deklarieren.

Ausländische Unternehmen, die derzeit als mehrwertsteuerpflichtig in der Schweiz registriert sind, sollten ggf. prüfen, ob sie sich mit Inkrafttreten des geänderten Mehrwertsteuergesetzes deregistrieren können und möchten.

Besteuerung von Online-Plattformen

Die Besteuerung von Plattformen ist ein aktuelles Thema in vielen Ländern. Beispielsweise hat die EU Regelungen geschaffen, wonach Online-Marktplätze Steuerschuldner für Lieferungen von Unternehmen ohne Sitz oder Betriebsstätte in der EU sein können.

Mit der Änderung des Schweizer Mehrwertsteuergesetzes soll neu eingeführt werden, dass (inländische und ausländische) Betreiber von Versandhandelsplattformen alle Lieferungen von Waren deklarieren und versteuern müssen, welche über die Plattform verkauft werden. Damit soll die Plattform selber in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig werden und nicht mehr der einzelne Anbieter. Diese neue Regelung ist aber nur für Lieferungen von Gegenständen vorgesehen, nicht hingegen für Dienstleistungen wie z.B. Beherbergungsleistungen.

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