Die revidierte ZPO tritt am 1. Januar 2025 in Kraft | Pestalozzi Attorneys at Law

Die revidierte ZPO tritt am 1. Januar 2025 in Kraft

07.09.2023

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Am 6. September 2023 hat der Bundesrat beschlossen, die erste grosse Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung, wie diese am 17. März 2023 vom Parlament verabschiedet wurde, auf den 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen. Dies lässt allen Beteiligten genügend Zeit für die Umsetzung der neuen Rechtslage (z.B. durch Anpassen von Verordnungen und Gesetzen) und die Vorbereitung darauf.

Die revidierte ZPO sieht etliche Änderungen vor, von welchen wir die wesentlichsten nachfolgend kurz erläutern (sämtliche Änderungen können hier eingesehen werden):

  • Möglichkeit zur Schaffung von internationalen Handelsgerichten: Der Bund schafft die Voraussetzungen, dass die Kantone internationale Handelsgerichte einrichten können. So können die Kantone das Handelsgericht als zuständig erklären, wenn die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist, der Streitwert mindestens CHF 100'000 beträgt, die Parteien der Zuständigkeit des Handelsgerichts zustimmen und im Zeitpunkt der Zustimmung mindestens eine Partei ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland hat.

    Sollten die Kantone von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so würde der Gerichtsplatz Schweiz damit auch im internationalen Verhältnis klar gestärkt. Die internationalen Handelsgerichte werden über besonderes Fachwissen und Erfahrung verfügen. Die Parteien können sich zudem auf die ausschliessliche Zuständigkeit dieser Fachgerichte einigen. Damit haben die Parteien die Gewissheit, dass ein allfälliger Streit ausschliesslich von einem besonders geeigneten staatlichen Gericht beurteilt würde.

    Vielversprechende Kandidaten für internationale Handelsgerichte sind insbesondere die beiden Wirtschaftskantone Zürich und Genf.

  • Englisch als Verfahrenssprache in Fällen der internationalen Handelsgerichtsbarkeit: Mit der Möglichkeit der Schaffung von internationalen Handelsgerichten einher geht die Verwendung von Englisch als Verfahrenssprache. Gemäss der revidierten ZPO können die Kantone Englisch als Verfahrenssprache vorsehen für Fälle der internationalen Handelsgerichtsbarkeit (im Sinne wie oben erläutert) vor dem Handelsgericht oder den ordentlichen Gerichten. Das Bundesgericht hingegen wird seine Verfahren weiterhin in einer Landessprache führen, wobei aber die Parteien Rechtsschriften in englischer Sprache einreichen können.

  • Halbierung der Gerichtskostenvorschüsse: Gerichtskostenvorschüsse dürfen in Zukunft grundsätzlich nur noch die Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten betragen. Zum Vergleich: Unter dem aktuellen Recht können die Gerichte Gerichtskostenvorschüsse in der vollen Höhe der mutmasslichen Gerichtskosten verlangen – was sie in der Praxis auch ausnahmslos tun. Mit der neuen Regelung soll der Zugang zu den Gerichten vereinfacht werden. Vom neuen Grundsatz der hälftigen Gerichtskostenvorschüsse bestehen allerdings zahlreiche Ausnahmen, so z.B. in Fällen der internationalen Handelsgerichtsbarkeit (vgl. oben) oder im Rechtsmittelverfahren.

    Nicht geändert wird dagegen die Hoheit der Kantone über die Gerichtskostentarife. Damit bleiben die teilweise grossen Kostenunterschiede zwischen den Kantonen für die Führung eines Zivilprozesses bestehen.

  • Liquidation der Prozesskosten – Staat trägt das Risiko: Zukünftig werden die Gerichte Kostenvorschüsse, welche die obsiegende (bzw. nicht-kostenpflichtige) Partei geleistet hatte, an diese zurückerstatten. Dies im Gegensatz zur heutigen Regelung, wo auch die von der nicht-kostenpflichtigen Partei geleisteten Kostenvorschüsse mit den Gerichtskosten verrechnet werden. Dies führte dazu, dass die nicht-kostenpflichtige Partei die Gerichtskosten bei der kostenpflichtigen Partei eintreiben musste – und somit das Risiko eines Zahlungsausfalls der Gegenpartei trug. Mit der neuen Regelung liegt dieses Risiko nun beim Gemeinwesen.

  • Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz: Das Gericht kann künftig mündliche Prozesshandlungen, wie z.B. Gerichtsverhandlungen, mit elektronischen Mitteln, insbesondere per Videokonferenz, durchführen, sofern alle Parteien zustimmen und keine anderslautenden gesetzlichen Bestimmungen bestehen.

  • Mitwirkungsverweigerungsrecht für Tätigkeiten aus dem unternehmensinternen Rechtsdienst und für Unternehmensjuristinnen und –juristen: Eine Partei kann künftig die Mitwirkung und die Herausgabe von Unterlagen im Zusammenhang mit der Tätigkeit ihres unternehmensinternen Rechtsdienstes verweigern, wenn die Partei im schweizerischen Handelsregister oder einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen ist, der Rechtsdienst von einer Person mit Anwaltspatent geleitet wird und die betreffende Tätigkeit bei einer Anwältin oder einem Anwalt als berufsspezifisch gelten würde. Gleiches gilt für Dritte (z.B. die bei einer Partei angestellten Unternehmensjuristinnen und –juristen) im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im unternehmensinternen Rechtsdienst.

  • Vorsorgliche Massnahmen gegen Medien – Herabsetzung der Hürden: Eine der Hürden für die gerichtliche Anordnung von vorsorglichen Massnahmen gegen periodisch erscheinende Medien wird neu herabgesetzt. Die drohende Rechtsverletzung muss der betroffenen Partei – anders als bis anhin – keinen "besonders schweren Nachteil" mehr verursachen. Vielmehr reicht zukünftig ein "schwerer Nachteil". Inwiefern diese Änderung zu einer Änderung der Rechtsprechung führen wird, bleibt abzuwarten. Die weiteren Voraussetzungen (offensichtliches Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes und keine Unverhältnismässigkeit der Massnahme) zur Gewährung einer vorsorglichen Massnahme gegen periodisch erscheinende Medien bleiben unverändert bestehen.

Nicht Teil der vorliegenden Änderungen sind Themen rund um den kollektiven Rechtsschutz. Die Revision des kollektiven Rechtsschutzes wurde von der allgemeinen Revision der ZPO abgespalten. Die entsprechende Gesetzesvorlage ist zurzeit im Parlament hängig.

Autoren: Andreas Lienhard (Partner) und Sven Aschwanden (Associate)

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