COVID-19: Wann hat Home-Office steuer- und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen?
Key takeaways
- Eine bloss wenige Monate dauernde oder regelmässige, aber sehr geringfügige Home-Office Tätigkeit hat in der Regel keine steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen für den Arbeitgeber.
- Wird eine wesentliche Geschäftstätigkeit regelmässig und dauerhaft in einem Home-Office ausgeübt, so kann der Arbeitgeber dort steuerpflichtig werden.
- In zahlreichen Fällen ist nicht eindeutig, ob am Ort des Home-Office eine Steuerpflicht des Arbeitgebers begründet wird. In solchen Fällen ist die Einholung eines verbindlichen Vorbescheids (Ruling) bei den zuständigen Steuerbehörden ratsam.
- Verbringt ein Arbeitnehmer regelmässig 25% oder mehr seiner Arbeitszeit im Home Office an seinem Wohnsitz, so findet im internationalen Verhältnis innerhalb der EU/EFTA in der Regel ausschliesslich das dortige Sozialversicherungssystem Anwendung.
Einleitung
Aufgrund von Technologien wie Internet und EDV ist eine Flexibilisierung des Arbeitsplatzes oft möglich oder sogar notwendig, damit ein Arbeitnehmer seine Arbeit teilweise oder vollumfänglich ausserhalb des Büro erledigen kann.
Erledigt ein Arbeitnehmer nur gelegentlich und in geringfügigem Ausmass Aufgaben ausserhalb des Büros im Home-Office, wie beispielsweise E-Mails lesen und beantworten, Arbeiten abschliessen, Sitzungen vorbereiten etc., so hat dies in der Regel keine steuerlichen Auswirkungen.
Bei regelmässigen Tätigkeiten im Home-Office hingegen wird der Arbeitsplatz faktisch ganz oder teilweise in das Home-Office ausgelagert. Solche Konstellationen können sowohl für die Besteuerung des Arbeitgebers als auch für die Besteuerung des Arbeitnehmers sowie für die Sozialversicherungsabgaben neue Anknüpfungspunkte begründen.
Wann begründet ein Home-Office in der Schweiz eine Betriebsstätte des Arbeitgebers?
Aus Schweizer Sicht ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Damit ist der Betriebsstättebegriff im internen schweizerischen Steuerrecht enger gefasst als in anderen Ländern, wo beispielsweise nicht immer eine feste Geschäftseinrichtung vorausgesetzt wird.
Damit eine Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet, muss sie über einen gewissen Zeitraum hinweg bestehen und für die Geschäftstätigkeit eine gewisse Bedeutung haben. Die bloss vorübergehende Tätigkeit in einem Home-Office während weniger Wochen oder Monate – z.B. aus gesundheitlichen Gründen oder infolge einer Pandemie – begründet grundsätzlich keine Betriebsstätte. Dies selbst wenn die vorübergehend im Home-Office ausgeübte Tätigkeit für das Unternehmen von zentraler Bedeutung ist. Auch Tätigkeiten in sehr geringem Umfang begründen grundsätzlich keine Betriebsstätte, selbst wenn diese Tätigkeiten regelmässig vom Home-Office aus ausgeübt werden (z.B. abendliches beantworten von E-Mails oder Vorbereitung von Besprechungen).
Wird jedoch ein wesentlicher Teil der Arbeit über einen Zeitraum von mindestens 6-12 Monate hinweg im Home-Office ausgeübt, kann diese Tätigkeit am Ort des Home-Office zu einer Betriebsstätte führen. Ein Home-Office ist in solchen Konstellationen eine feste Einrichtung, in der ein Teil der Geschäftstätigkeit des Unternehmens regelmässig ausgeübt wird. Aus Schweizer Sicht ist zudem entscheidend, ob es sich dabei um eine Geschäftseinrichtung handelt, die dem Arbeitgeber zuzurechnen ist. Dies wird bejaht, wenn das Home-Office in der Verfügungsmacht des Arbeitgebers steht. Für die Verfügungsmacht des Arbeitgebers ist weder erforderlich, dass dieser bzw. dessen Organe uneingeschränkten Zugang zum Home-Office haben, noch, dass das Home-Office im Eigentum des Arbeitgebers steht oder durch diesen gemietet wird. Vielmehr ist entscheidend, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweisen kann, das Home-Office für die geschäftlichen Verrichtungen zu verwenden. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich instruiert, gewisse Geschäftstätigkeiten im Home-Office auszuüben bzw. eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung besteht.
Als weiteres, in der Schweiz allerdings nicht entscheidendes Kriterium kann auch berücksichtigt werden, ob der Arbeitgeber auch die Kosten für das Home-Office trägt. Unter Umständen kann es für die Begründung einer Betriebsstätte am Ort des Home-Office allerdings ausreichen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen anderen geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung stellt und der Arbeitnehmer deshalb veranlasst ist, aus dem Home-Office zu arbeiten.
Anders ist die Situation, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen geeigneten Arbeitsplatz zur ständigen Verfügung stellt und die Tätigkeit im Home-Office auf blosses Zusehen hin oder sogar gegen den Willen des Arbeitgebers erfolgt. In solchen Situationen begründet das Home-Office mangels Verfügungsmacht des Arbeitgebers unabhängig vom Umfang der dort ausgeübten Tätigkeit keine Betriebsstätte.
Die schweizerische Rechtsprechung hat sich mit dieser Thematik allerdings noch nicht eingehend auseinandergesetzt, sodass die Frage der Begründung einer Betriebsstätte infolge Home-Office Tätigkeiten in zahlreichen Fällen mit Unsicherheiten behaftet ist.
Begründet ein Home-Office in der Schweiz eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, so führt diese Betriebsstätte zu einer beschränkten Steuerpflicht des Arbeitgebers. Insbesondere wenn durch die Home-Office Tätigkeit kein Umsatz erzielt wird, ist die Zurechnung des Gewinns an eine solche Home-Office Betriebsstätte oft mit Unsicherheiten verbunden. In der Praxis erfolgt in solchen Konstellationen häufig eine Besteuerung eines Gewinnaufschlags auf den einer solchen Betriebsstätte zuzurechnenden (insbesondere Personal-) Kosten.
Muss der Arbeitgeber eine Lohnquellensteuer vom Lohn abziehen?
Grundsätzlich unterliegt der Lohn eines Arbeitnehmers in der Schweiz nicht der Lohnquellensteuer, sondern die Entrichtung der Einkommenssteuer auf dem Arbeitslohn ist in der alleinigen Verantwortung des Arbeitsnehmers. Arbeitgeber müssen jedoch eine Quellensteuer vom Lohn ihrer Arbeitnehmer abziehen und entrichten, wenn der betreffende Arbeitnehmer (sowie ggf. sein Ehegatte oder eingetragener Partner) Nichtschweizer ist und über keine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz verfügt oder wenn er seinen steuerlichen Wohnsitz im Ausland hat.
Anders als in verschiedenen anderen Ländern besteht eine Pflicht zum Abzug einer Lohnquellensteuer nur, wenn der Arbeitgeber seinen steuerlichen Sitz- bzw. Wohnsitz oder eine Betriebsstätte in der Schweiz hat. Begründet ein Home-Office für einen ausländischen Arbeitgeber eine Betriebsstätte in der Schweiz, so kann dies – nebst der Steuerpflicht des Arbeitgebers für den Betriebsstättegewinn – auch dazu führen, dass er auf dem an den Arbeitnehmer bezahlten Lohn eine zusätzliche Quellensteuer entrichten muss.
Wer kann die Kosten für das Home-Office vom steuerbaren Einkommen abziehen?
Gemäss schweizerischem Arbeitsrecht muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich die zur Arbeitsausübung benötigte Arbeitsinfrastruktur (Arbeitsgeräte und Material) zur Verfügung stellen. Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer darüber hinaus eine Entschädigung für die Nutzung eines Arbeitszimmers in der privaten Wohnung oder eine sonstige Entschädigung für die Nutzung seiner privaten Infrastruktur, so stellt diese Entschädigung aus Sicht der Steuerbehörden in der Schweiz in der Regel steuerbares Einkommen dar. Unter Umständen können diese Kosten wiederum als Berufskosten vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Die Praxis der schweizerischen Steuerbehörden ist diesbezüglich oft restriktiv.
Der Arbeitgeber kann die durch ihn getragenen Aufwendungen gewinnsteuerlich in Abzug bringen. Voraussetzung dafür ist, dass die Kosten geschäftsmässig begründet sind.
Hat ein Home-Office Auswirkungen auf die Sozialversicherungsabgaben?
Auf dem Lohn, der einem Arbeitnehmer mit Wohnsitz in der Schweiz oder für eine in der Schweiz ausgeübte Erwerbstätigkeit bezahlt wird, sind in der Regel schweizerische Sozialversicherungsabgaben zu entrichten. Dies grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat, soweit die (teilweise) Tätigkeit in der Schweiz drei aufeinander folgende Monate im Kalenderjahr überschreitet.
Um Mehrfachbelastungen zu vermeiden, hat die Schweiz mit verschiedenen Staaten Abkommen über das anwendbare Sozialversicherungssystem abgeschlossen. Am bedeutsamsten ist in diesem Zusammenhang das Personenfreizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie der EU- und EFTA-Mitgliedsstaaten (FZA). Wenn eine Person die Staatsangehörigkeit der Schweiz oder eines EU-oder EFTA-Staats hat, findet nur ein einziges Sozialversicherungssystem dieser Vertragsstaaten Anwendung. Dieses richtet sich nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) 883/2004 und deren gemäss dem FZA für anwendbar erklärten Ergänzungen.
Als allgemeine Grundregel findet das Sozialversicherungssystem des Mitgliedsstaats am Wohnsitz des Arbeitnehmers Anwendung, wenn dieser dort einen wesentlichen Teil seiner Arbeitstätigkeit. Als wesentlicher Teil wird gemäss konstanter Praxis ein Arbeitsumfang von mindestens 25% der gesamten Arbeitstätigkeit betrachtet ("25%-Regel"). Hat der Arbeitnehmer einen ausländischen Arbeitgeber und verbringt der Arbeitnehmer weniger als 25% seiner Arbeitstätigkeit in seinem Wohnsitzstaat, findet in erster Linie das Sozialversicherungssystem im Staat seines ausländischen Arbeitgebers Anwendung.
Die Ausübung der Erwerbstätigkeit aus einem Home-Office kann sich gleich in zweifacher Hinsicht auf das anwendbare Sozialversicherungssystem auswirken. Zum einen kann ein Home-Office in der Schweiz wie dargelegt eine Betriebsstätte des ausländischen Arbeitgebers in der Schweiz begründen. In einer solchen Konstellation können die Sozialversicherungsbehörden den Standpunkt einnehmen, dass die schweizerische Betriebsstätte und nicht der (ausländische) Hauptsitz als Arbeitgeber zu betrachten ist. Dies insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber die Betriebsstätte in der Schweiz als Zweigniederlassung registriert.
Zum anderen führt ein Home-Office aufgrund der 25%-Regel grundsätzlich zur Anwendung des Sozialversicherungssystems am Wohnsitz des Arbeitnehmers, wenn dieser mehr als 25% seiner Arbeitszeit im Home-Office (oder andernorts im Wohnsitzstaat) verbringt. Dies selbst dann, wenn die Tätigkeit im Home-Office in Unkenntnis oder gar gegen den Willen des Arbeitgebers erfolgt. In solchen Konstellationen sollten Arbeitgeber im Arbeitsvertrag ggf. verbindlich festhalten, dass Arbeitnehmer nicht mehr als 25% ihrer Arbeitszeit in ihrem Wohnsitzstaat verbringen dürfen und ihren Arbeitsort in einem Kalendarium bescheinigen müssen.
In Ausnahmesituationen verbringt ein Arbeitnehmer unter Umständen über einen gewissen Zeitraum hinweg einen wesentlichen Teil seiner Arbeitszeit im Home-Office, obwohl dies bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht geplant war. Die Gründe können sowohl persönlicher Natur sein (z.B. gesundheitlich bedingte Immobilität oder Quarantäne) als auch durch das allgemeine Umfeld bedingt sein (z.B. Pandemie). In diesem Zusammenhang hat das Bundesamt für Sozialversicherungen kürzlich festgehalten, dass sich das anwendbare Sozialversicherungssystem – und insbesondere auch die dargelegte "25%-Regel" – nach dem gewöhnlichen Arbeitsort richtet. Wird nur über eine verhältnismässig kurze Zeit ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit vorübergehend im Home-Office verbracht, so sollte dies grundsätzlich keine Auswirkung auf das anwendbare Sozialversicherungssystem haben. In Zweifelsfällen ist allerdings eine verbindliche Bestätigung durch die abrechnende Sozialversicherungsbehörde zu empfehlen.
Need for action?
Wünscht ein Unternehmen und/oder dessen Arbeitnehmer, einen Teil ihrer Arbeit regelmässig im Home-Office auszuüben, so sollten mögliche Steuerfolgen sowie Auswirkungen auf Sozialversicherungsabgaben vorgängig überprüft werden. Soweit Unsicherheiten bestehen bleiben, empfiehlt sich in der Regel die Behandlung der spezifischen Situation durch die zuständigen Behörden in einem verbindlichen Vorbescheid (Ruling) bestätigen zu lassen.
Schliesslich sollten die Modalitäten regelmässiger Home-Office Tätigkeiten (maximaler Umfang, Entschädigung, Recht oder Pflicht für Home-Office Tätigkeit) im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt werden.
Autoren: Jonas Sigrist (Partner), Noëlle Mathis (Senior Associate)
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