Berner Finanzdienstleistungsabkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich
Key takeaways
- Das Berner Finanzdienstleistungsabkommen stellt ein Novum dar, da zum ersten Mal zwei grosse Finanzzentren einen völkerrechtlichen Vertrag schliessen, der die gegenseitige Anerkennung ihrer jeweiligen Rechts- und Aufsichtsrahmen in Bezug auf Finanzdienstleistungen festhält.
- Das BFSA sieht einen verbesserten Marktzugang für in der Schweiz bzw. dem Vereinigten Königreich ansässige Finanzdienstleister in bestimmten Finanzdienstleistungssektoren vor.
- In Bereichen, in denen die nationalen Gesetze der Schweiz und des Vereinigten Königreichs bereits einen Marktzugang vorsehen, bekräftigt das BFSA diesen Status quo und die beiden Länder vereinbaren, diesen Grad an Marktzugang im Falle künftiger Änderungen ihres nationalen Rechtsrahmens beizubehalten.
Einleitung
Mit dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung im Bereich der Finanzdienstleistungen (das "Berner Finanzdienstleistungsabkommen" oder "BFSA") wurde erstmalig zwischen zwei grossen internationalen Finanzzentren die Gleichwertigkeit der jeweiligen Rechts- und Aufsichtsrahmen in einem verbindlichen internationalen Vertrag gegenseitig anerkannt.
Das BFSA zielt darauf ab, grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten im Finanzsektor zu ermöglichen oder zu erleichtern und gleichzeitig die Stabilität und Integrität der Finanzmärkte sowie den Kundenschutz zu gewährleisten. Im Kern beinhaltet das BFSA die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der beiden Länder und skizziert eine verstärkte regulatorische und aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich ("UK") in der Zukunft.
Implikationen des Berner Finanzdienstleistungsabkommens
Wie eingangs erwähnt, geht das BFSA über bereits bestehende sektorale Abkommen zwischen den beiden Ländern (namentlich in Bezug auf die Direktversicherung) hinaus und wirkt sich auf eine Reihe von Aspekten im Bereich Finanzdienstleistungen aus – insbesondere auf die Vermögensverwaltung, das Versicherungswesen, das Asset Management und die Finanzmarktinfrastrukturen.
Vermögensverwaltung
In Bezug auf die Vermögensverwaltung soll die BFSA schweizerischen Finanzinstituten (d.h. Banken, Wertpapierhäusern, Verwaltern von Kollektivvermögen, Fondsleitungen und Vermögensverwaltern) erleichtern, Finanzdienstleistungen (d.h. Vermögensverwaltung, Anlageberatung, reine Ausführungsdienstleistungen (execution-only) und damit verbundene Dienstleistungen wie beispielsweise die Gewährung von Krediten für die Durchführung von Transaktionen mit Finanzprodukten) für professionelle Kunden und vermögende Privatpersonen (d.h. Privatpersonen mit einem Nettovermögen von mehr als GBP 2'000'000) im Vereinigten Königreich zu erbringen.
Überdies wird es Kundenberatern von Schweizer Finanzinstituten inskünftig möglich sein, Finanzdienstleistungen für solche britischen Kunden nicht mehr nur auf rein grenzüberschreitender Basis, sondern auch vor Ort im Rahmen temporär begrenzter Einsätze zu erbringen, ohne dass diese der britischen Zulassungs- und Regulierungspflicht unterliegen.
Hierzu ist jedoch zu beachten, dass Schweizer Finanzinstitute – um von den Möglichkeiten des BFSA Gebrauch machen zu können – die britische Financial Conduct Authority benachrichtigen und die im Vereinigten Königreich zu erbringenden Dienstleistungen sowie die damit bedienten Kunden angeben müssen.
Umgekehrt profitieren im Vereinigten Königreich ansässige Finanzdienstleister bereits heute von einem relativ offenen Marktzugang im Bereich der Vermögensverwaltung in die Schweiz. Dieser Status quo wird im BFSA festgehalten und bekräftigt. Ferner können die Kundenberater britischer Finanzdienstleister unter bestimmten Bedingungen vorübergehend vermögende Schweizer Privatpersonen direkt in der Schweiz betreuen, ohne sich in der Schweiz registrieren lassen zu müssen.
Versicherung
Schweizer Versicherer können bereits aktuell im Rahmen des geltenden nationalen Rechts weitgehend grenzüberschreitende Dienstleistungen im Vereinigten Königreich erbringen. Das BFSA bekräftigt diesen Status quo und sichert diesen ab, indem es das Vereinigte Königreich verpflichtet, im Falle einer Änderung seiner nationalen Gesetzgebung, die den derzeitigen Marktzugang für Schweizer Versicherer einschränken würde, in einen regulatorischen Dialog mit den Schweizer Behörden einzutreten, sodass der derzeitige Marktzugang erhalten werden kann.
Im Gegenzug eröffnet das BFSA britischen Versicherern neue Möglichkeiten, grenzüberschreitende Dienstleistungen in der Schweiz erbringen zu können. Künftig können britische Versicherer grenzüberschreitende Versicherungsdienstleistungen in gewissen Bereichen der Nicht-Lebensversicherungen anbieten. Eine Reihe von Versicherungsprodukten bleibt jedoch vom Anwendungsbereich des FASG ausgenommen, insbesondere Unfall-, Kranken-, Haftpflicht-, Feuer- und Elementarschaden-, Vermögensschaden- sowie Monopolversicherungen (vor allem im Bereich kantonaler Gebäudeversicherungsmonopole). Im Vereinigten Königreich ansässige Versicherer, die solche Versicherungsdienstleistungen anbieten, sind künftig von der Einhaltung schweizerischer Bestimmungen bewilligungsrechtlicher oder prudenzieller Natur gemäss dem schweizerischen Versicherungsaufsichtsgesetz ("VAG") und dessen ausführenden Erlassen befreit.
Darüber hinaus dürfen britische Versicherer unter dem BFSA Versicherungsdienstleistungen grossen Schweizer Unternehmen anbieten, die zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: (i) Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen CHF, (ii) Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen CHF oder (iii) mehr als 250 Mitarbeitende.
Schliesslich werden im Vereinigten Königreich ansässige unabhängige Versicherungsvermittler zwar von der seit dem 1. Januar 2024 geltenden Lokalisierungspflicht nach Art. 41 Abs. 2 lit. a VAG befreit, abgesehen davon unterliegen sie jedoch auch weiterhin den schweizerischen versicherungsaufsichtsrechtlichen Bestimmungen.
Asset Management
Das BFSA trägt dem Umstand Rechnung, dass der Asset-Management-Markt bereits heute international ist. Insbesondere sehen die nationalen Regelungen sowohl der Schweiz als auch des Vereinigte Königreiches relativ offene Regelungen in Bezug auf den Vertrieb von kollektiven Anlagen sowie in Bezug auf die Delegation von Anlageentscheidungen und/oder des Risikomanagements vor.
Folglich sieht das BFSA somit weder für Schweizer noch für britische Marktteilnehmer einen neuen oder weiteren Marktzugang vor. Stattdessen bekräftigt und bestätigt das Abkommen den Status quo.
Finanzmarktinfrastrukturen
In Bezug auf die Finanzmarktinfrastrukturen erstreckt sich das BFSA auf Handelsplätze, zentrale Gegenparteien und ausserhalb eines Handelsplatzes gehandelte Derivate (OTC-Derivate).
Konkret stärkt das BFSA die rechtliche und regulatorische Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich im Bereich der Handelsplätze. In Bezug auf zentrale Gegenparteien soll das BFSA deren gegenseitige Anerkennung erleichtern, wobei die zentrale Gegenpartei weiterhin die einzelnen Bewilligungsvoraussetzungen nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht erfüllen muss – vorbehaltlich der Beurteilung der Systemrelevanz ihrer Dienstleistungen. Darüber hinaus haben beide Länder vereinbart, grenzüberschreitende Transaktionen mit OTC-Derivaten zu erleichtern, indem sie die jeweiligen Risikominderungsregeln der beiden nationalen Rechtsrahmen gegenseitig anerkennen.
Ausblick
Zwar wurde das Berner Finanzdienstleistungsabkommen bereits im Dezember 2023 von der Schweiz und dem Vereinigten Königreich unterzeichnet und am 1. April 2025 vom Schweizer Parlament verabschiedet, aktuell läuft jedoch noch die Referendumsfrist, die am 10. Juli 2025 endet.
Bislang bestehen keine Anzeichen, dass auf ein Referendum über das BFSA hindeutet. Somit dürfte nach Ablauf der Referendumsfrist das Datum für das Inkrafttreten des BFSA festgelegt werden.
Obwohl ein Inkrafttreten nicht vor dem Jahr 2026 zu erwarten ist, sollten sich Finanzdienstleister sowohl in der Schweiz als auch im Vereinigten Königreich rechtzeitig mit den potenziellen Möglichkeiten und Auswirkungen des BFSA vertraut machen.
Autoren: Oliver Widmer (Partner), Samir Ainouz (Associate)
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