Vorschlag des Bundesrates zu Änderungen im Finanzmarktinfrastrukturgesetz | Pestalozzi Attorneys at Law

Vorschlag des Bundesrates zu Änderungen im Finanzmarktinfrastrukturgesetz

Am 19. Juni 2024 hat der Bundesrat die Vernehmlassung in Bezug auf vorgeschlagene Änderun-gen des FinfraG eröffnet. Mit den vorgeschlagenen Änderungen beabsichtigt der Bundesrat, die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes und die Stabilität des Finanzsystems weiter auszubauen.

Key takeaways

  • Sowohl für die Regelungen zur Offenlegung von Beteiligungen als auch zur Meldepflicht von Transaktionen in Titeln von börsenkotierten Gesellschaften, die Gegenstand eines öffentlichen Übernahmeangebots sind, soll der die Meldepflicht auslösende Schwellenwert von 3% auf 5% der Stimmrechte angehoben werden.
  • Zur Vermeidung von Bagatelldelikten im Offenlegungsrecht sollen die Offenlegungsstellen der Börsen den Verantwortlichen im Falle von Meldepflichtverletzungen eine Korrekturmöglichkeit einräumen. Bei Verdacht auf eine schwere Verletzung sollen die Offenlegungsstellen direkt die zuständige Strafverfolgungsbehörde und die FINMA informieren.
  • Die Regelungen zur Offenlegung von Management-Transaktionen und zur Ad hoc-Publizität werden aus den Kotierungsreglementen in das FinfraG überführt.
  • Börsenkotierten Gesellschaften und deren Beratern soll eine Pflicht zum Führen von Insiderlisten auferlegt werden.
  • Im Bereich des Derivatehandels sollen Erleichterungen für kleine nichtfinanzielle Gegenparteien vorgesehen werden.

Einleitung

Am 19. Juni 2024 hat der Bundesrat die Vernehmlassung in Bezug auf die vorgeschlagenen Änderungen im Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) eröffnet. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetzesrevision soll das FinfraG an technologische und internationale Entwicklungen anpassen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes und die Stabilität des Finanzsystems zu verbessern. Das vorliegende Legal Update stellt die diesbezüglich wichtigsten vorgeschlagenen Änderungen in den Bereichen Offenlegungsrecht, Übernahmerecht, Management-Transaktionen, Insiderhandel, Marktmanipulation, Ad hoc-Publizität und Derivatehandel vor. Auch im Bereich der Finanzmarktinfrastrukturen sind Änderungen vorgesehen, auf welche das vorliegende Legal Update jedoch nicht eingehen wird.

Wichtigste vorgeschlagene Änderungen des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes

Offenlegungsrecht

Die Meldepflicht zur Offenlegung von Beteiligungen an kotierten Gesellschaften gemäss Art. 120 ff. FinfraG soll dahingehend verändert werden, dass der aktuell tiefste Schwellenwert in der Höhe von 3% neu auf 5% der Stimmrechte angehoben wird. Der Bundesrat begründet diesen Vorschlag mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und dem Bedürfnis nach einer Angleichung an internationale Standards (z.B. Mindestschwellenwert von 5% in den USA und in den meisten EU-Mitgliedstaaten). Die Offenlegungspflicht soll neu auch die an einem DLT-Handelssystem kotierten Beteiligungspapiere erfassen.

Ferner sollen neu die möglichen Verletzungshandlungen der Meldepflicht gesetzlich konkretisiert werden, um Bagatelldelikte im Offenlegungsrecht zu vermeiden. Dabei sollen die Offenlegungsstellungen der Börsen den Verantwortlichen im Fall von Meldepflichtverletzungen eine Korrekturmöglichkeit einräumen, womit eine Strafbarkeit nur noch in Fällen wesentlicher Verstösse gegeben sein soll. Bei Verdacht auf eine solche schwere Verletzung sollen die Offenlegungsstellen direkt die zuständige Strafverfolgungsbehörde und die FINMA informieren.

Ausländische Aktionäre, die Stimmrechte von mindestens 10% an börsenkotierten Gesellschaften halten, sollen zukünftig ein Schweizer Zustellungsdomizil bezeichnen müssen.

Übernahmerecht

Ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Übernahmeangebots wird die Transaktionsmeldepflicht nach Art. 134 FinfraG relevant, welche die Meldung von Transaktionen in Titeln der Zielgesellschaft während der Angebotsdauer regelt. In Anlehnung an den veränderten Schwellenwert im Bereich des Offenlegungsrechts soll die Transaktionsmeldepflicht neu ebenfalls erst Aktionäre mit mindestens 5% der Stimmrechte erfassen.

In Übereinstimmung mit der vorgeschlagenen Änderung des Schwellenwerts der Meldepflicht sollen neu Aktionäre erst mit mindestens 5% und nicht bereits mit 3% der Stimmrechte Parteistellung in übernahmerechtlichen Verfahren erlangen können.

Management-Transaktionen und Ad hoc-Publizität

Aktuell werden die Offenlegung von Management-Transaktionen und die Pflicht, kursrelevante Tatsachen zu publizieren (Ad hoc-Publizität) im Sinne der Selbstregulierung vorwiegend im Kotierungsreglement der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange) bzw. Berner Börse (BX Swiss) geregelt. Zwecks einer einheitlichen Regelung sollen die entsprechenden Regelungen neu gesetzlich im FinfraG und den Ausführungsverordnungen verankert werden. Bis auf geringfügige Anpassungen sollen dabei die Hauptzüge des Kotierungsreglements der SIX und der Richtlinien der SIX zu Management-Transaktionen (RLMT) resp. zur Ad hoc-Publizität (RLAhP) übernommen werden.

Bisher wurden bei Management-Transaktionen im Rahmen der Veröffentlichung der Name und die geschäftliche Funktion der meldepflichtigen Person weggelassen. Zur Förderung von Transparenz müssten diese Angaben neu veröffentlicht werden. Darüber hinaus soll der Bundesrat in Anlehnung an europäisches Recht Handelssperrzeiten (sog. black-out periods) bestimmen können.

Bei Verstössen gegen die Vorschriften zu Management-Transaktionen und Ad hoc-Publizität kann die Schweizer Börse gemäss aktuellem Kotierungsreglement eine Busse aussprechen (bei Fahrlässigkeit bis zu CHF 1 Mio. und Vorsatz bis zu CHF 10 Mio.). Derartige Bussen sollen neu in einem Straftatbestand im FinfraG geregelt werden. Die maximale Bussenhöhe soll zukünftig deutlich geringer ausfallen (bei Fahrlässigkeit bis zu CHF 100'000 und bei Vorsatz bis zu CHF 500'000). Aufsichtsrechtlich soll die FINMA neu bei Verletzungen der Vorschriften gegen den Emittenten ein Enforcement-Verfahren einleiten können.

Insiderhandel

Aktuell gibt es keine explizite Pflicht für Emittenten, Insiderlisten (d.h. Listen mit Informationen zum Zeitpunkt der Entstehung der Insiderinformation und den Personen, welche von der Insiderinformation Kenntnis haben) zu führen, was viele börsenkotierte Gesellschaften aber nicht davon abhält, solche zu führen. Neu soll im FinfraG eine Norm geschaffen werden, welche börsenkotierten Unternehmen und deren Beauftragten explizit eine Pflicht auferlegt, solche Listen zu führen und diese während 15 Jahren aufzubewahren und bei Bedarf der FINMA und den entsprechenden Strafverfolgungsbehörden auszuhändigen. Details in Bezug auf die materielle Gestaltung und Ausnahmen zur Pflicht des Führens derartiger Listen soll der Bundesrat festlegen.

Ein Verstoss gegen die entsprechenden neu explizit festgehaltenen Pflichten soll mit Busse bestraft werden (bei Fahrlässigkeit bis zu CHF 100'000 und Vorsatz bis zu CHF 500'000).

In Bezug auf die weiteren gesetzlichen Bestimmungen zum Insiderhandel soll neu der Tertiärinsider abgeschafft werden und die Täterkategorie des Sekundärinsiders soll neu alle Personen umfassen, die nicht als Primärinsider gelten. Ebenso soll der qualifizierende Straftatbestand des Insiderhandels und der Marktmanipulation grundsätzlich nicht mehr die Erzielung eines Vermögensvorteils von CHF 1 Mio. voraussetzen, sondern bereits bei einem Betrag von CHF 500'000 Anwendung finden.

Derivatehandel

Seit der Einführung der Meldepflicht für Derivatgeschäfte an ein Transaktionsregister haben sich verschiedene internationale Standards weiterentwickelt. Aus diesem Grund sind Änderungen bezüglich des Inhalts dieser Meldungen auf Verordnungsstufe vorgesehen, um die Schweizer Regulierung an internationale Standards anzugleichen. Ferner sollen ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden neu von einem erleichterten Zugang zum Schweizer Transaktionsregister profitieren. Darüber hinaus sähe die Gesetzesrevision für kleine nichtfinanzielle Gegenparteien Erleichterungen vor. Ausserdem sollen die für die Qualifikation als kleine nichtfinanzielle bzw. kleine finanzielle Gegenpartei relevanten Berechnungsmethoden (entsprechend der europäischen Regulierung gemäss EMIR-REFIT) vereinfacht und vereinheitlicht werden.

Ausblick

Mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Gesetzesrevision des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes würde es zu zahlreichen Änderungen in den Bereichen Finanzmarktinfrastrukturen, Offenlegungsrecht, Übernahmerecht, Management-Transaktionen, Insiderhandel, Ad hoc-Publizität und Derivatehandel kommen. Diese Änderungen betreffen insbesondere die Emittenten und deren Investoren.

Die Vernehmlassung des Gesetzesentwurfs dauert bis zum 11. Oktober 2024, anschliessend wird der Bundesrat über den Gesetzesentwurf zu Händen des Parlaments beschliessen.

 Autoren: Dr. Christian Leuenberger (Partner), Severin Roelli (Partner), Mercedes Chiabotti (Associate)

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