Telearbeit und Betriebsstätten: Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem OECD-Update 2025
Key takeaways
- Die Definition der Betriebsstätte in Art. 5 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens bleibt unverändert. Allerdings enthält der Kommentar neu detaillierte Hinweise wann Homeoffice, Arbeiten in Zweitwohnungen und anderen „relevanten Orten“ im anderen Staat eine Betriebsstätte begründen kann.
- Dreistufiger Test zur Qualifikation als Telearbeits-Betriebsstätte: In der Praxis stehen (i) die Dauer der Nutzung, (ii) die Frage, ob mindestens 50 % der Arbeitszeit im anderen Staat erbracht wird, und (iii) das Vorliegen eines echten geschäftlichen Grundes für die Tätigkeit im Vordergrund.
- Telearbeit, die ausschliesslich zur Verbesserung der Work-Life-Balance, Talentgewinnung oder zur Einsparung von Bürokosten erlaubt wird, soll grundsätzlich nicht zu einer Betriebsstätte führen. Dies selbst dann nicht, wenn mehr als die Hälfte der Arbeit von zu Hause aus erbracht wird.
- Ein Homeoffice kann dennoch eine Betriebsstätte begründen, sofern bei stark personenbezogenen Unternehmen die betreffende Person den Hauptteil der Geschäftstätigkeit aus dem anderen Staat heraus ausübt oder sofern Schlüsselpersonen die effektive Geschäftsführung im anderen Staat ausüben.
Einleitung
Am 19. November 2025 hat die OECD das „2025 Update“ zum OECD-Musterabkommen veröffentlicht. Für die Praxis gehören die neuen Erläuterungen zur grenzüberschreitenden Telearbeit im Kommentar zu Art. 5 („Cross-border working from a home or other relevant place“, neue Rz. 44.1–44.21) zu den wichtigsten Neuerungen. Die Betriebsstättendefinition in Art. 5 Abs. 1 OECD MA selbst bleibt unverändert. Neu eingefügt wurde jedoch ein praxisnäheres Rahmenwerk für Homeoffices und vergleichbare Set-ups in einem anderen Vertragsstaat.
Neben den Erläuterungen zur Telearbeit enthält das 2025 Update weitere Änderungen des Kommentars, unter anderem zur Besteuerung von Rohstoffaktivitäten, zur Abzugsfähigkeit von Zinsen und zur Streitbeilegung (Art. 25, inkl. Aspekte im Zusammenhang mit Amount B). Dieses Legal Update konzentriert sich auf die Telearbeit-Aspekte von Art. 5.
Ändert das 2025 Update automatisch meine steuerliche Situation?
Nein. Das OECD-Musterabkommen und sein Kommentar sind als solches kein Recht im formellen Sinn, beeinflussen aber massgeblich die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, die auf dem OECD-Muster beruhen. Die praktische Wirkung des 2025 Update hängt vom konkreten Abkommenswortlaut, von allfälligen Vorbehalten und Anmerkungen der beteiligten Staaten sowie davon ab, wie Steuerbehörden und Gerichte den aktualisierten Kommentar in der Praxis heranziehen. Einige Jurisdiktionen – insbesondere solche mit traditionell strengerer Betriebsstättenpraxis – könnten die Guidance zurückhaltender oder restriktiver anwenden als andere.
Was ist die wichtigste Änderung im Zusammenhang mit Telearbeit und Betriebsstätten?
Die OECD hält an der klassischen Betriebsstättendefinition fest (ein „fester Geschäftsbetrieb“, durch den die Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird), ergänzt diese aber um detaillierte Hinweise für moderne Telearbeits-Konstellationen, insbesondere Homeoffices, Zweitwohnungen und andere „relevante Orte“ in einem anderen Staat.
Wie definiert die OECD einen „festen Geschäftsbetrieb“ bei Telearbeit?
- Dauer der Nutzung (Permanenz): Arbeitet eine Person beispielsweise während drei aufeinanderfolgenden Monaten innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums aus einem anderen Staat, fehlt es in der Regel an der nötigen Dauerhaftigkeit für eine Betriebsstätte. Wird eine Wohnung oder ein anderer Ort jedoch über einen längeren Zeitraum (über Jahre) hinweg laufend für die Tätigkeit genutzt, kann das Kriterium der Permanenz erfüllt sein.
- 50-%-Arbeitszeit-Schwelle: Ein Homeoffice oder anderer relevanter Ort gilt grundsätzlich nicht als Betriebsstätte, wenn die Person weniger als 50 % ihrer gesamten Arbeitszeit für das Unternehmen von dort aus erbringt (jeweils bezogen auf einen Zwölfmonatszeitraum).
- Geschäftlicher Grund („commercial reason“): Wird 50 % oder mehr der Arbeit im anderen Staat geleistet, sind die Umstände näher zu prüfen – insbesondere, ob es einen geschäftlichen Grund für die Tätigkeit an diesem Ort gibt (z.B. Kundenkontakte, Marktentwicklung vor Ort, Zeitzonenanforderungen oder Zusammenarbeit mit lokalen Partnern).
Was gilt nicht als geschäftlicher Grund?
Die Möglichkeit für Telearbeit, die rein aus HR-Überlegungen gewährt wird (Work-Life-Balance, Personalgewinnung/-bindung) oder der Reduktion von Bürokosten dient, begründet für sich allein keine Betriebsstätte – selbst dann nicht, wenn mehr als 50 % der Arbeit von zu Hause aus erfolgt. Ziel der OECD ist es ausdrücklich, eine unkontrollierte „Vermehrung“ von Mikro-Betriebsstätten in typischen grenzüberschreitenden Homeoffice-Fällen zu vermeiden.
Gibt es Ausnahmen?
Ja. Übt eine Person als einzige oder hauptsächliche Person die Geschäftstätigkeit des Unternehmens aus (z.B. eine nicht ansässige Beraterin oder ein Berater, die/der den wesentlichen Teil der Tätigkeit von einem Homeoffice im anderen Staat erbringt), kann dieses Homeoffice eine Betriebsstätte darstellen. Besonders relevant ist dies für stark personenabhänge oder gründergeführte Unternehmen oder für eine Schlüsselperson, die für wesentliche Unternehmensentscheidungen verantwortlich ist, die das Geschäft faktisch aus einem anderen Staat heraus leitet.
Was bedeutet das in der Praxis?
Das 2025 Update revolutioniert das Betriebsstättenkonzept nicht, stellt aber ein klareres und operativeres Rahmenwerk für grenzüberschreitende Telearbeitskonstellationen bereit. In der Praxis wird die Analyse typischerweise wie folgt aufgebaut:
- Prüfung der Dauerhaftigkeit (Permanenz) der Nutzung.
- Anwendung der 50-%-Arbeitszeit-Schwelle.
- Beurteilung, ob ein echter geschäftlicher Grund für die Tätigkeit im anderen Staat vorliegt.
- Berücksichtigung des Ausnahmetatbestands für vorbereitende/unterstützende Tätigkeiten sowie von Konstellationen, in denen eine Person die Geschäftstätigkeit „allein oder im Wesentlichen“ ausübt.
Was sollten Unternehmen jetzt tun?
Das 2025 Update ändert weder unmittelbar das innerstaatliche Recht noch den Wortlaut bestehender Doppelbesteuerungsabkommen. Es wird aber die künftige Praxis der Steuerbehörden und Gerichte bei der Beurteilung grenzüberschreitender Telearbeits-Fälle prägen. Unternehmensgruppen sollten daher insbesondere:
- Grenzüberschreitende Telearbeitsmuster erfassen, insbesondere Mitarbeitende und Schlüsselpersonen, die regelmässig von einem anderen Staat aus arbeiten (Homeoffice, Zweitwohnung, „Workation“ etc.).
- Homeoffice- / Telearbeits- und HR-Policies überprüfen, damit diese die 50-%-Arbeitszeit-Schwelle widerspiegeln und klare Erwartungen zum Arbeitsort festhalten.
- Die geschäftliche Begründung dokumentieren, wenn Mitarbeitende in erheblichem Umfang aus einem anderen Staat arbeiten (Kundennähe, Marktentwicklung, Zeitzonen, Kooperation mit lokalen Partnern etc.).
- Risikofälle identifizieren, insbesondere gründergeführte Unternehmen und Senior-Funktionen, bei denen eine einzelne Person die Geschäftstätigkeit aus einem anderen Staat heraus prägt.
- Steuer-, HR- und Rechtsabteilung abstimmen, insbesondere wenn flexible grenzüberschreitende Arbeitsmodelle oder langfristige „Work from abroad“-Arrangements gewährt werden.
Unser Tax Team unterstützt Sie gerne bei der Überprüfung Ihrer bestehenden Telearbeitskonstellationen, der Einschätzung allfälliger Betriebsstättenrisiken und der Anpassung Ihrer internen Richtlinien an die neue OECD-Guidance.
Autoren: Remo Keller (Partner), Camilo Otalora (Associate)
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