Stolpersteine bei der Schweizerischen Exportrisikoversicherung
Key takeaways
- Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV versichert Exportgeschäfte schweizerischer Exporteure gegen Verluste, die auf die Verwirklichung bestimmter Exportrisiken zurückzuführen sind. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft.
- Die Leistung einer Entschädigung aus der Lieferantenkredit-, der Fabrikationsrisiko- oder der Vertragsgarantieversicherung (diese sind drei der sechs von der SERV für Exporteure angebotenen Produkten) setzt u.a. voraus, dass die versicherte Forderung rechtsbeständig, fällig und frei von Einreden und Einwendungen ist.
- Hat die SERV begründete Zweifel an der Rechtsbeständigkeit, Fälligkeit und Einrede- bzw. Einwendungsfreiheit der versicherten Forderung und erweist sich der Rechtsweg im Bestimmungsstaat nicht als unmöglich oder unzumutbar, darf die SERV von der Versicherungsnehmerin einen Nachweis durch gerichtliches Urteil verlangen.
- Exporteure, welche bei der SERV versichert sind, sollten ihre Tätigkeiten von Beginn an laufend gut dokumentieren. Die zentralen Leistungspflichten, insbesondere die Bestimmungen zur Lieferung und Abnahme der Güter oder Dienstleistungen sowie die Entstehung der Zahlungsverpflichtung beim Kunden, sind möglichst klar und objektiv nachprüfbar zu formulieren.
Einleitung
Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV wurde 1934 als Exportrisikogarantie ERG eingeführt und löste diese 2007 ab. Die SERV soll der Schweizer Exportwirtschaft die Teilnahme am internationalen Wettbewerb erleichtern und den Wirtschaftsstandort Schweiz fördern. Grundlage der SERV ist das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERVG).
Die SERV versichert Lieferungen und Dienstleistungen schweizerischer Exporteure ins Ausland (Exportgeschäfte) gegen Rückstände im Zahlungseingang oder gegen andere aus Forderungen gegenüber ausländischen Schuldnern resultierende Verluste. Dabei soll der Staat der Privatversicherungswirtschaft keine Konkurrenz machen: Die SERV ist dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet. Sie versichert keine Risiken, wenn dafür hinreichende Versicherungsangebote auf dem freien Markt zur Verfügung stehen (Art. 6 Abs. 1 lit. d SERVG). Für die Abgrenzung zwischen marktfähigen und nicht-marktfähigen Risiken muss sich die SERV an der Praxis der Europäischen Union orientieren (Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zum SERVG, SERV-V), wie sie insbesondere in den Mitteilungen der Europäischen Kommission veröffentlicht wird.
Erfordernisse an den Nachweis eines verwirklichten Risikos
Versicherungsbedingungen im Überblick
Die SERV ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 3 Abs. 1 SERVG). Dies ist entscheidend für die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen der SERV als Versicherung und dem Exporteur als Versicherungsnehmern. Die SERV gewährt die Versicherung in der Regel durch Verfügung, nachdem der Exporteur seinen Versicherungsantrag gestellt hat. Die Versicherungsbedingungen sind in den Allgemeine Geschäftsbedingungen, z.B. zur Lieferantenkreditversicherung ("AGB-L"), weiter ausgeführt. Die SERV kann aber auch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abschliessen, wenn dies der Wahrung ihrer Interessen dient (Art. 15 Abs. 1 SERVG). Streitigkeiten zwischen den Parteien sind nicht von den Zivilgerichten, sondern vom Bundesverwaltungsgericht in erster Instanz zu beurteilen. Dabei sind die (vertraglichen) Ansprüche bei Fehlen entsprechender Normen des öffentlichen Rechts sinngemäss nach den Regeln des Obligationenrechts (OR) zu beurteilen.
Als versicherbare Risiken gelten gemäss dem abschliessenden Katalog in Art. 12 Abs. 1 SERVG politische Risiken (Bst. a), Transferschwierigkeiten und Zahlungsmoratorien (Bst. b), höhere Gewalt (Bst. c), Risiken aus Sicherungsgarantien (Bst. e), unter bestimmten Voraussetzungen Fremdwährungsrisiken (Bst. f) sowie das Delkredererisiko, sofern gleichzeitig auch die Verlustrisiken nach Bst. a–c bei der SERV versichert werden (Bst. d). Die Versicherungsdeckung kann dabei sowohl für den Fall, dass sich die Risiken vor der Lieferung (Fabrikationsrisiko) verwirklichen, als auch für den Fall, dass sie sich nach der Lieferung realisieren (Kreditrisiko), gewährt werden (Art. 12 Abs. 2 SERVG). Die Definition des im Einzelfall versicherten Fabrikations- und/oder Kreditrisikos regelt die SERV direkt im Versicherungsvertrag, sofern die Versicherung in dieser Form abgeschlossen wird (vgl. Art. 15 Abs. 1 SERVG).
Die Verträge des versicherten Grundgeschäfts werden nur in begründeten Ausnahmefällen ausserhalb eines Versicherungsfalls geprüft (Art. 11 SERV-V). Für Antragssteller und Versicherungsnehmer sieht das Gesetz Informations- und Sorgfaltspflichten vor, bei deren Verletzung die SERV ihre Leistungen verweigern darf (Art. 18 SERVG).
Verwirklicht sich das versicherte Risiko, so setzt die Leistung einer Entschädigung aus der Lieferantenkredit-, der Fabrikationsrisiko- oder der Vertragsgarantieversicherung voraus, dass die versicherte Forderung rechtsbeständig, fällig und frei von Einreden und Einwendungen ist (siehe z.B. Ziff. 5.1.1 AGB-L). Daneben müssen selbstverständlich auch alle übrigen Voraussetzungen des Haftpflichtrechts erfüllt sein.
Wird die zur Entschädigung beantragte Forderung oder eine in der Versicherungspolice dokumentierte Mithaftung eines Dritten bestritten, kann die SERV verlangen, dass der Nachweis des Bestands, der Fälligkeit und der Freiheit von Einreden und Einwendungen durch ein Urteil des zuständigen Gerichts erbracht wird. Gleiches gilt, wenn das Vorliegen rechtlicher Hindernisse bekannt ist (siehe z.B. Ziff. 5.3 der AGB-L). Eine Entschädigungszahlung ist ausgeschlossen, solange der Versicherungsnehmer das Vorliegen der Entschädigungsvoraussetzungen nicht vollständig nachgewiesen hat (siehe z.B. Ziff. 5.4 der AGB-L).
Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
In einem kürzlich ergangenen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24.01.2023, B-2722/2019) werden die Anfordernisse an den Nachweis des Bestands und der Fälligkeit der versicherten Forderung konkretisiert. Im betreffenden Fall ging es um ein relativ komplexes Geschäft, welches die Lieferung und Installation von Kommunikationseinrichtungen für die Seeschifffahrt in den omanischen Hoheitsgewässern sowie deren Betrieb über mehrere Jahre betraf.
Der Exporteur stellte 2007 bei der SERV einen Antrag auf Entschädigung aus der Lieferantenkreditversicherung, weil dessen Vertragspartner die Zahlungsverpflichtungen aus dem Exportgeschäft nicht erfüllt hatte. Nach diversen Abklärungen lehnte die SERV im Mai 2008 die Deckung ab.
Ein Streitpunkt vor Bundesverwaltungsgericht betraf die Frage, ob die Voraussetzungen für die erste Zahlung im Grundvertrag zwischen dem Exporteur und dessen Vertragspartner (das versicherte Grundgeschäft) erfüllt waren.
Das Bundesverwaltungsgericht hielt zunächst hinsichtlich der anwendbaren Versicherungsbedingungen (AGB-L) fest, dass verwaltungsrechtliche Verträge grundsätzlich gleich wie privatrechtliche nach den Regeln von Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) auszulegen seien. Primäres Auslegungsmittel sei der Wortlaut des Vertrages, wobei eine rein grammatikalische oder formalistische Auslegung nicht statthaft sei. Die Vertragsauslegung habe namentlich unter Beachtung des Gesamtzusammenhangs, des Vertragszwecks, der Interessenlage und der Entstehungsgeschichte zu erfolgen.
Daraus folgerte das Gericht, dass unter Berücksichtigung des teleologischen und systematischen Kontexts die Regelung von Ziff. 5.3 AGB-L i.V.m. Ziff. 5.4 AGB-L so ausgelegt werden kann, dass die SERV eine verbindliche (i.d.R. gerichtliche) Feststellung des Bestands, der Fälligkeit oder der Einrede- und Einwendungsfreiheit der versicherten Forderung grundsätzlich dann verlangen könne, wenn sich aus der eingereichten Dokumentation begründete Zweifel an der Sachdarstellung des Versicherungsnehmers ergeben. Ergänzend sei vorauszusetzen, dass die Beschreitung des Rechtswegs für die Versicherungsnehmerin möglich und zumutbar ist.
Im beurteilten Fall sah der Grundvertrag eine Ablieferung der Installationen in mehreren Phasen vor. Ob bereits nach erfolgreicher Abnahme der Phase 1 ein Anspruch auf Teilzahlung entstehen sollte, war im Grundvertrag nicht klar geregelt. Zudem vermochte die gegen die SERV klagende Versicherungsnehmerin nicht ausreichend zu belegen, dass die Abnahme von Phase 1 ohne Vorbehalte erfolgt war.
Somit durfte sich die SERV auf begründete Zweifel an der Rechtsbeständigkeit, Fälligkeit und Einrede- bzw. Einwendungsfreiheit der versicherten Forderung berufen. Ferner ergab sich, dass der Rechtsweg im Zielland (Oman) nicht als unmöglich oder unzumutbar gelten musste. Somit war für das Gericht nicht zu beanstanden, dass die SERV gestützt auf Ziff. 5.3 AGB-L von der klagenden Versicherungsnehmerin einen Nachweis durch gerichtliches Urteil verlangte.
Nächste Schritte
Exporteure, die sich bei der SERV versichern wollen, sind gut beraten, die Vertragsbestimmungen möglichst klar zur und objektiv nachprüfbar zu formulieren. Besonders zentral sind die Bestimmungen zur Entstehung der Zahlungsverpflichtung, die Leistungspflichten des Exporteurs sowie die Abnahmevoraussetzungen für die gelieferten Güter oder Dienstleistungen, da sich Streitigkeiten, welche zu einer Deckung der SERV führen können, häufig um eben diese Punkte drehen. Das kann bei Werkverträgen zu komplexen Projekten herausfordernd sein. Zudem sollte der versicherte Exporteur seine Tätigkeiten von Beginn an laufend gut dokumentieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die SERV die Leistung verweigert und der Exporteur die geforderten Nachweise nicht gerichtsfest erbringen kann.
Autoren: Lukas Rusch (Partner), Markus Winkler (Konsulent)
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