E-Signatur: Wo stehen wir heute?
Key takeaways
- Elektronische Signaturen setzen sich im Alltag offenbar erst langsam durch, obwohl die Schweiz erste gesetzliche Grundlagen bereits im Jahr 2000 einführte.
- Oft wird eine umständliche Handhabung als Argument gegen den Einsatz elektronischer Signaturen vorgebracht. Dabei werden die praktischen Vorteile digital signierter elektronischer Dokumente gerne übersehen: Richtig und sorgfältig eingesetzt, können im Prozess Beweisprobleme bei Papierdokumenten durch elektronisch signierte Dokumente vermieden werden.
- Im Behördenverkehr schreitet die Digitalisierung voran. Voraussichtlich soll es im Kanton Zürich ab dem 1. Januar 2025 möglich sein, mit den kantonalen Behörden ohne Medienbruch rein digital zu kommunizieren, einschliesslich dem Unterzeichnen von Dokumenten.
Einleitung
Digitale oder elektronische Signaturen ("e-Signaturen") sind eine wichtige Voraussetzung für den digitalen Geschäftsverkehr, sowohl zwischen Privaten als auch mit Behörden. Obwohl e-Signaturen seit 2000 in der Schweiz gesetzlich geregelt sind, setzen sie sich in der Praxis erst langsam durch.
Die Gründe dafür scheinen nicht immer klar. Teilweise wird vorgebracht, das Aufsetzen oder der Gebrauch einer e-Signatur sei umständlich. Müssen mehrere Parteien unterzeichnen, kann sich dieses Problem akzentuieren. Teilweise zeigen sich im internationalen Verhältnis Unsicherheiten mit der gegenseitigen Anerkennung.
Zwei Gerichtsurteile neueren Datums geben wertvolle Hinweise darauf, wie mit der e-Signatur sorgfältig umzugehen ist und welche Vorteile dabei für eine gerichtsfeste Dokumentation von Geschäftsfällen zu gewinnen sind.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Anforderungen an die technischen Eigenschaften von elektronischen Signaturen wurden erstmals 2000 in Form der Zertifizierungsdiensteverordnung ("ZertDV"; SR 784.103) formuliert, die 2005 durch das Signaturgesetz ("ZertES"; SR 943.03) ersetzt wurde. Das ZertES wurde 2016 totalrevidiert (in Kraft seit 1.1.2017) und an den damals aktuellen Stand der Technik angepasst. Das ZertES entspricht innerhalb der Europäischen Union ("EU") der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (sogenannte "eIDAS-Verordnung").
Praktisch bedeutsam sind zwei Bestimmungen zum Gebrauch der e-Signatur im Privatrechtsverkehr aus dem Schweizerischen Obligationenrecht ("OR"): Grundsätzlich ist die Unterschrift, wo sie notwendig ist, eigenhändig zu schreiben (Art. 14 Abs. 1 OR). Dabei ist die mit einem qualifizierten Zeitstempel verbundene qualifizierte elektronische Signatur ("QES") gemäss ZertES der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt (Art. 14 Abs. 2bis OR). Ebenfalls zu beachten ist, dass eine Nachbildung der eigenhändigen Schrift auf mechanischem Wege nur da als genügend anerkannt wird, wo deren Gebrauch im Verkehr üblich ist (Art. 14 Abs. 2 OR).
Dabei muss nicht jede Vertragsurkunde mit einer Unterschrift versehen werden. Viele Verträge können formfrei geschlossen werden (z.B. Kaufverträge über bewegliche Sachen), sodass ein Austausch von E-Mails oder eine eingescannte Unterschrift völlig ausreichen. Nur wo das Gesetz oder die Vereinbarung Schriftform verlangen (z.B. bei der Abtretung einer Forderung gemäss Art. 165 Abs. 1 OR), muss die Unterschrift eigenhändig geschrieben werden. Nach obigem kann diese Unterschrift durch eine QES ersetzt werden.
Neuere Rechtsprechung
Keine Abkürzung, wo die QES gefordert ist
Im Dezember 2023 hatte das Zuger Obergericht über eine Handelsregistersperre zu entscheiden, bei der es um die Rechtsgültigkeit einer Abtretung von Aktien ging (Urteil vom 14.12.2023, Az Z2 2023 67). Unverbriefte Namenaktien müssen mittels schriftlicher Zessionserklärung übertragen werden. Im konkreten Fall wurde diese Zessionserklärung via die Signaturlösung eines bekannten Anbieters unterzeichnet. Der vermeintliche Aktionär (Berufungskläger) brachte vor, der Abtretende hätte «seine Unterschrift direkt und eigenhändig in der im PDF-Format geöffneten "Zessionserklärung" angebracht – mit allergrösster Wahrscheinlichkeit unter Verwendung eines "Tablet-Pens" auf einem [..] "Trackpad"». Diese Behauptung erfolgte allerdings erst im Berufungsverfahren und damit verspätet. Dennoch setzte sich das Gericht mit der rechtlichen Qualifikation solcher alternativer e-Signaturen auseinander. Das Gericht entschied im Sinne eines obiter dictum, dass das Schriftformerfordernis nicht erfüllt war.
Ob eine auf einem Trackpad ausgeführte und im selben Zeitpunkt digitalisierte Unterschrift als eigenhändige Unterschrift gelten darf, ist in der Literatur umstritten. Die Befürworter vertreten die Ansicht, dass es auf die Bewegung der Hand, nicht aber auf den Datenträger (Papier o.a.) ankomme. Das Gericht hob hervor, dass die Autoren, welche dies bejahen, immerhin eine genügend hohe Auflösung der digitalisierten Unterschrift sowie die "Aufzeichnung der Intensität des Schreibdrucks" verlangen. Dies sind hohe technische Anforderungen.
Andere Autoren erachten bereits eine eingescannte und nachträglich in ein elektronisches Dokument eingefügte Unterschrift als ausreichend, da es angesichts des heutigen Stands der Technik kaum mehr möglich sei, eine nachträglich eingesetzte Unterschrift vom Scan eines zuvor in herkömmlicher Weise eigenhändig unterzeichneten Papierdokuments zu unterscheiden. Hierzu stellt das Gericht klar fest, dass wenn dieser Mindermeinung gefolgt würde, die Bestimmung von Art. 14 Abs. 2bis OR hinfällig würde: «Dies widerspräche offenkundig Sinn und Zweck des Gesetzes.»
Vorteile der QES im Beweisrecht
Im November 2023 hatte das Schweizerische Bundesgericht in BGer 5A_439/2023 vom 23. November 2023 Gelegenheit, Fragen zur Echtheit von Privaturkunden zu beleuchten. Konkret ging es um die Frage, ob die Vorinstanz zurecht die Vorlage des Originals einer schriftlichen Schuldanerkennung verlangen konnte. Die Gläubigerin hatte im provisorischen Rechtsöffnungsverfahren nach Art. 82 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs ("SchKG") eine Rechnungskopie als Rechtsöffnungstitel vorgelegt. Auf dieser Rechnungskopie fand sich die handschriftliche Unterschrift des Schuldners neben dem Datum und dem Vermerk "Bon pour accord".
Im Zivilprozess gelten für den Urkundenbeweis die folgenden Regeln, welche auch auf das Verfahren für die provisorische Rechtsöffnung Anwendung finden:
Art. 8 ZGB |
Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
Art. 82 Abs. 1 SchKG |
Beruht die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, so kann der Gläubiger die provisorische Rechtsöffnung verlangen. |
Art. 178 ZPO |
Die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, hat deren Echtheit zu beweisen, sofern die Echtheit von der anderen Partei bestritten wird; die Bestreitung muss ausreichend begründet werden. |
Art. 180 Abs. 1 ZPO |
Die Urkunde kann in Kopie eingereicht werden. Das Gericht oder eine Partei kann die Einreichung des Originals oder einer amtlich beglaubigten Kopie verlangen, wenn begründete Zweifel an der Echtheit bestehen. |
Der Wortlaut der beiden Bestimmungen aus der Zivilprozessordnung ("ZPO") ist alles andere als klar. In einem früheren Entscheid hat das Bundesgericht die korrekte Bedeutung wie folgt dargelegt (BGE 143 III 453 E. 3): Art. 178 ZPO betrifft die Echtheit i.e.S., d.h. es geht darin um die Frage, ob die Urkunde tatsächlich von derjenigen Person stammt, die als ihr Urheber erkennbar ist. Dies betrifft insbesondere Urkunden, die unterzeichnet sind. Art. 180 ZPO betrifft sodann die Echtheit i.w.S. Dabei geht es um die Frage nach der inhaltlichen Übereinstimmung von Kopie und Original. Das Einreichen des Originals erlaubt es dem Gericht festzustellen, ob es zwischen Kopie und Original etwaige Abweichungen gibt.
Im konkreten Fall brachte der Schuldner zwar vor, ihm scheine, dass seine Unterschrift aus einem anderen Dokument auf die fragliche Rechnungskopie übertragen worden sei. Eine Begründung dafür brachte er nicht vor. Ohne eine solche glaubhafte Begründung durfte die Vorinstanz die Rechnungskopie jedoch nicht in Anwendung von Art. 180 ZPO aus dem Recht weisen. Die provisorische Rechtsöffnung hätte somit erteilt werden müssen. Dem Schuldner wäre hernach die Aberkennungsklage offen gestanden (Art. 83 Abs. 2 SchKG).
Hier zeigen sich die praktischen Vorteile der e-Signatur. Bei einer Schuldanerkennung in Form eines PDF könnte nicht nur die Echtheit der e-Signatur (QES), sondern auch die Integrität des mit der QES signierten PDF sehr leicht im Rahmen eines Augenscheins verifiziert werden. Zwar handelt es sich nicht um eine eigentliche Beglaubigung. Technisch lässt sich dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit verifizieren, ob jemand das signierte Dokument nachträglich verändert hat (etwa durch das nachträgliche Einkopieren einer Unterschrift oder einer Notiz von einem anderen Dokument). Will der Urheber der e-Signatur dem Gericht eine Fälschung glaubhaft machen, muss er belastbare Indizien vorbringen, dass er nicht in der Lage war, im fraglichen Zeitpunkt das Dokument zu signieren (etwa infolge eines Spitalaufenthalts ohne Zugriff auf die Applikation zum Signieren o.ä.).
M.a.W. mag das Einrichten einer e-Signatur aufwändiger sein als das Unterzeichnen mit einem Kugelschreiber. Gegenüber der analogen Welt kann die e-Signatur dafür mit einer höheren (Beweis-) Sicherheit punkten. Selbstverständlich darf eines nicht passieren: der Verlust der Zugangsdaten an unbefugte Dritte. Dies gilt jedoch für alle wesentlichen digitalen Funktion wie e-Banking o.a.
Ausblick
Zürcher Verwaltungsverfahren wird digital
Im Oktober 2023 beschloss der Zürcher Kantonsrat eine Anpassung des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes ("VRG"). Ab Inkrafttreten (voraussichtlich am 1.1.2025) können somit Eingaben elektronisch eingereicht und Anordnungen (Verfügungen) der Behörden ebenso elektronisch mitgeteilt werden. Dies betrifft namentlich die Verwaltungsbehörden des Kantons, der Gemeinden und der Bezirke, die Organe der kantonalen öffentlichen Anstalten (z.B. Universität Zürich und Gebäudeversicherungsanstalt) und die Organe kantonaler öffentlicher Körperschaften (z.B. kirchliche Körperschaften oder kommunale Zweckverbände).
Damit wird es möglich sein, mit den Verwaltungsbehörden im Kanton im Verwaltungsverfahren medienbruchfrei elektronisch zu verkehren.
Zukünftige Verbesserungen durch den Gesetzgeber
Wünschenswert für den Geschäftsverkehr mit internationalen Parteien wäre sicher eine gegenseitige Anerkennung der Schweizer und der EU-QES. Der Vorentwurf zur Verordnung über elektronische Verfahrenshandlungen im Zürcher kantonalen Verwaltungsverfahren ("VeVV") sieht z.B. vor, dass bei elektronischen Behördenleistungen, die sich an ausländische Staatsangehörige ohne einen Ausländerausweis wenden, die Identifizierung auch mittels einer elektronischen Identität nach der eIDAS-Verordnung erfolgen kann.
Autor: Markus Winkler (Konsulent)
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