COVID-19: Zusätzliche Massnahmen und Anpassungen des Insolvenzrechts zur Milderung der finanziellen Auswirkungen auf die Unternehmen
Key Takeaways:
- Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) analysiert die Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf das Justizsystem und plant weitere Verfahren und Massnahmen, um die finanziellen Auswirkungen der Krise auf die Unternehmen über das derzeitige Massnahmenpaket hinaus weiter zu erleichtern.
- Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) schlägt ein Drei-Stufen-Modell vor, das unter anderem eine temporäre Erleichterung im Hinblick auf die Meldepflichten des Verwaltungsrates im Falle einer drohenden Überschuldung sowie eine neue COVID-19-Stundung vorsieht. Diese Massnahmen würden den Unternehmen eine Möglichkeit zur Reorganisation und Anpassung an die neue Situation geben.
- Das Drei-Stufen-Modell des Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ist ein erster Vorschlag. Es bleibt abzuwarten, ob, in welchem Umfang und wann eine Umsetzung erfolgt.
Am 1. April 2020 hat das Bundesamt für Justiz (BJ) seine Pläne für zusätzliche Massnahmen und Last-Minute-Anpassungen des schweizerischen Insolvenzrechts veröffentlicht. Zwischenzeitlich fand eine kurze öffentliche Konsultation statt. Der Bundesrat muss über die Pläne noch entscheiden.
Der Bundesrat hat bereits einen schweizweiten Fristenstillstand verhängt und die Oster‑Gerichtsferien mit Wirkung ab 21. März 2020 vorgezogen (siehe Legal Update vom 26. März 2020) und entschieden, dass vom 19. März 2020 bis 19. April 2020 keine Zwangsvollstreckungsmassnahmen mehr durchgeführt werden dürfen (siehe Legal Update vom 20. März 2020).
Das Bundesamt für Justiz (BJ) schlägt ein Drei-Stufen-Modell vor:
- Direkte Unterstützungsmassnahmen durch den Bund
- Erleichterungen im Hinblick auf die Meldepflichten im Falle einer drohenden Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR)
- Einführung eines besonderen Stundungsverfahrens für kleinere Unternehmen (sog. COVID‑19-Stundung)
Direkte Unterstützungsmassnahmen durch den Bund
Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder juristische Personen mit Sitz in der Schweiz, die unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise Liquiditätsengpässe erleiden, haben die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Überbrückungskredites im Rahmen des Bundes- oder kantonalen Förderungsprogrammes (siehe Legal Update vom 27. März 2020).
Erleichterungen im Hinblick auf die Meldepflichten des Verwaltungsrates im Falle einer drohenden Überschuldung
Gemäss den geltenden Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts (insbesondere Art. 725 Abs. 2 OR) hat der Verwaltungsrat einer Gesellschaft bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung eine Zwischenbilanz (zu Fortführungs- und zu Veräusserungswerten) zu erstellen und diese einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorzulegen. Ergibt sich aus der Zwischenbilanz, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger nicht gedeckt sind, so hat der Verwaltungsrat den Richter zu benachrichtigen, sofern nicht bestimmte Gesellschaftsgläubiger einen Rangrücktritt erklären.
Der Vorschlag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) zielt darauf ab, den Verwaltungsrat vorübergehend von der Verpflichtung zu befreien, die Zwischenbilanz durch einen zugelassenen Revisor prüfen zu lassen und den Richter zu benachrichtigen (auch wenn eine Überschuldung festgestellt wurde), sofern eine langfristige Aussicht auf eine Sanierung der Unternehmung besteht.
Obwohl die vorübergehende Aussetzung der gesetzlichen Pflichten des Verwaltungsrats keine Sanierungsmassnahmen darstellen, verschaffen sie dem Verwaltungsrat mehr Zeit, die Sanierung des Unternehmens in die Wege zu leiten.
COVID‑19-Stundung
Als dritte Massnahme schlägt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) vor, ein standardisiertes Massenverfahren zu schaffen, mit welchem kleinere Unternehmen rasch und einfach zu einer Stundung kommen können (sog. COVID-19-Stundung). Die COVID-19-Stundung soll den Unternehmen die Möglichkeit geben, sich umzustrukturieren und an die neue Situation anzupassen. Das Verfahren der COVID-19-Stundung würde zusätzlich zum bestehenden Nachlassverfahren hinzukommen und wäre inhaltlich stark dem Nachlassverfahren nachgebildet.
Autoren: Thomas Rohner (Partner), Alain Muster (Senior Associate)
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