Bundesrat schlägt in Anlehnung an das EU-Recht strengere Regeln zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Schweiz vor | Pestalozzi Attorneys at Law

Bundesrat schlägt in Anlehnung an das EU-Recht strengere Regeln zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Schweiz vor

Key takeaways

  • Der Bundesrat hat einen Vorentwurf für eine Änderung der Bestimmungen über den Bericht zu Nachhaltigkeitsaspekte (bisher: Bericht über nichtfinanzielle Belange) veröffentlicht.
  • Der Grenzwert "Vollzeitstellen" soll in Anlehnung an die EU von 500 auf 250 Vollzeitstellen gesenkt werden.
  • Neu würden nicht nur Publikumsgesellschaften, sondern alle Unternehmen erfasst, welche in zwei Geschäftsjahren zwei der folgenden drei Grenzwerte überschreiten: 250 Vollzeitstellen, CHF 25 Millionen Bilanzsumme, CHF 50 Millionen Umsatzerlös.
  • Der bisher vorgesehene "comply-or-explain-Ansatz" würde entfallen.
  • Der Umfang der im Bericht offenzulegenden Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte würde erweitert und präzisiert.
  • Die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte müsste neu durch ein externes Revisionsunternehmen oder eine Konformitätsbewertungsstelle überprüft werden

Einleitung

In Anbetracht der internationalen Entwicklungen und des Bestrebens der Schweiz, sich in der nachhaltigen Unternehmensführung international anzugleichen, veröffentlichte der Bundesrat den Vorentwurf zur Anpassung der Transparenzvorschriften über nichtfinanzielle Belange gemäss Art. 964a – Art- 964c OR und eröffnete die Vernehmlassung. Die neuen Bestimmungen würden zu strengeren Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung führen und sollen die bestehenden Bestimmungen des Obligationenrechts an die verschärften EU-Normen (insbesondere an die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) anpassen.

Wichtigste vorgeschlagene Änderungen der Regeln betreffend Nachhaltigkeitsberichterstattung

Erweiterung des Anwendungsbereichs

Während heute nur bei kumulativer Erfüllung der Schwellenwerte ein Bericht über nichtfinanzielle Belange zu erstellen ist, soll es nach dem Vorentwurf des Bundesrates genügen, wenn die Voraussetzungen alternativ erfüllt sind. Es ist somit beabsichtigt, dass zukünftig nicht nur Publikumsgesellschaften und Beaufsichtigte nach Artikel 3 FINMAG der Berichterstattungspflicht unterstellt sind, sondern neu auch nicht kotierte Unternehmen, welche während zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei der drei nachfolgenden Schwellenwerte erreichen:

  • eine Bilanzsumme von CHF 25 Millionen (bisher CHF 20 Mio.);
  • einen Umsatzerlös von CHF 50 Millionen (bisher CHF 40 Mio.);
  • 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt (bisher 500 Vollzeitstellen).

Die Berichterstattungspflicht soll sich ausserdem auch auf Unternehmen, die nach Art. 963 OR zur Erstellung einer Konzernrechnung verpflichtet sind und die zusammen mit den kontrollierten Unternehmen zwei der vorerwähnten Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschreiten.

Folgende Unternehmen sollen jedoch vom Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgenommen sein:

  • Unternehmen die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden, welches bereits einen Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte gemäss Bestimmungen des Obligationenrechts oder einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellen; oder
  • (börsenkotierte) Kleinstunternehmen, die allein oder zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- oder ausländischen Unternehmen mindestens zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschreiten:
  • Bilanzsumme von CHF 450'000;
  • Umsatzerlös von CHF 900'000;
  • 10 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.

Einführung einer Prüfungspflicht

In Angleichung an das EU-Recht sollen die im Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte gemachten Angaben von einem Revisionsunternehmen oder einer Konformitätsbewertungsstelle überprüft werden. Die anzuwendende Prüfungstiefe (positive/reasonable assurance oder negative assurance) soll der Bundesrat in einer Verordnung festlegen, wobei er sich an den internationalen Entwicklungen zu orientieren hat.

Erweiterte Anforderungen an den Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte

Der Bundesrat schlägt ausserdem vor, bestimmte Begrifflichkeiten zu ändern und den Umfang, der im Bericht zu behandelnden Nachhaltigkeitsaspekte zu erweitern. Die Unternehmen sollen Rechenschaft über Umweltfaktoren, Sozialaspekte einschliesslich Arbeitnehmerbelange, Menschenrechtsaspekte und neu Governance-Aspekte einschliesslich organisatorischer Vorkehren zur Bekämpfung von Korruption ablegen. Bei der Berichterstattung über Umweltfaktoren sollen neu insbesondere Angaben gemacht werden über den Stand in Bezug auf die Erreichung des Netto-Null-Treibhausgasemissionsziels bis spätestens 2050 zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau.

Auch der Umfang des Berichtsinhalt soll gemäss Vorentwurf erweitert werden, wonach beispielsweise auch eine Beschreibung der zeitgebundenen Nachhaltigkeitsziele, die sich das Unternehmen gesetzt hat, oder Angaben über allfällige Anreizsysteme, die mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpft sind und den Mitgliedern des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans angeboten werden, in den Bericht einfliessen müssen.

Doppelte Wesentlichkeit

Das bereits jetzt anwendbare "Prinzip der doppelten Wesentlichkeit" soll neu noch ausdrücklicher festgehalten werden. Demgemäss ist im Bericht zum einen die Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte zu nennen (sog. "Inside-out-Perspektive") sowie die Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekten auf den Geschäftsverlauf, die Geschäftsergebnisse und die Lage des Unternehmens (sog. "Outside-in-Perspektive"). Neu soll zudem klargestellt werden, wobei man sich dabei an das EU-Recht orientiert, dass sowohl Informationen offengelegt werden, die nach beiden Aspekten wesentlich sind, als auch Informationen, die nur nach einem Aspekt wesentlich sind.

Abschaffung des Comply-or-Explain-Ansatzes

Die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen sehen vor, dass ein Unternehmen, welches in Bezug auf einen oder mehrere Belange gemäss Art. 964b Abs. 1 OR kein Konzept verfolgt, dies im Bericht klar und begründet zu erläutern hat (sog. comply-or-explain-Ansatz). Diese Möglichkeit, auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen zu verzichten, soll zukünftig nicht mehr möglich sein.

 Standards der Berichterstattung

Bei der Wahl des Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen Unternehmen die Wahl haben zwischen den verwendeten Standards in der europäischen Union (European Sustainability Reporting Standards (ESRS)) und einem anderen gleichwertigen Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (z.B. Global Reporting Initiative (GRI) oder IFRS Sustainability Disclosure Standards (IFRS SDS)). Welche Standards als gleichwertig angesehen werden, soll vom Bundesrat in einer Verordnung festgelegt werden.

Genehmigung des Berichts über Nachhaltigkeitsaspekte

Der Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte muss wie bereits gemäss den aktuellen Bestimmungen vom obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgan sowie von der Generalversammlung genehmigt werden. Neu soll zudem klargestellt werden, dass der Beschluss der Generalversammlung bindend ist und somit keine Konsultativabstimmung möglich ist.

Übergangsbestimmungen

Ab Inkrafttreten der neuen Bestimmungen hätten die Unternehmen zwei Jahre Zeit die neuen Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung umzusetzen. Während der Übergangsfrist sowie für die Geschäftsjahre, die bei Inkrafttreten laufen, soll das bisherige Recht gelten.

Fazit und Ausblick

Mit dem Vorentwurf beabsichtigt der Bundesrat die Transparenzvorschriften über nichtfinanzielle Belange gemäss Art. 964a – Art- 964c OR an die Bestimmungen des EU-Rechts anzupassen. Durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen will der Bundesrat künftig rund 3500 Unternehmen zur Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte verpflichten (unter den geltenden Bestimmungen: ca. 300 Unternehmen). Zudem sollen neu die Berichte über Nachhaltigkeitsaspekte geprüft werden und der bisherige comply-or-explain-Ansatz würde entfallen. Auch sollen die im Bericht offenzulegenden Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte erweitert und präzisiert werden.

Die Vernehmlassung zum Vorentwurf dauert bis zum 17. Oktober 2024, anschliessend wird der Bundesrat über den Gesetzesentwurf zu Handen des Parlaments beschliessen.

Autoren: Dr. Christoph Lang (Partner), Dr. Christian Leuenberger (Partner), Mercedes Chiabotti (Associate), Nina Walder (Junior Associate)

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