Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Teilrevision des Kartellrechts
Wesentliche Punkte
Der Bundesrat hat eine Teilrevision des Kartellgesetzes (KG) in die Vernehmlassung geschickt. Würden die Vorschläge der Regierung wie vorgeschlagen zu Gesetz, hätte dies verschiedene Auswirkungen auf Unternehmen:
- Bei meldepflichtigen Unternehmenszusammenschlüssen wäre mit einer vermehrten Intervention der Wettbewerbskommission (WEKO) in Fällen unterhalb einer klaren Marktbeherrschung zu rechnen.
- Auch bei harten Wettbewerbsabreden gemäss Artikel 5 Abs. 3 und 4 KG stünde den Unternehmen in Zukunft wieder die Verteidigungslinie offen, es liege aufgrund fehlender quantitativer Auswirkungen keine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung vor.
- Zivilklagen aufgrund eines Wettbewerbsrechtsverstosses dürften zunehmen.
Mit einem Inkrafttreten der Teilrevision ist nicht vor 2023/2024 zu rechnen.
Einleitung
Am 24. November 2021 hat der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur Teilrevision des Kartellgesetzes eröffnet. Kernstück der Vorlage bildet die Modernisierung der Fusionskontrolle durch den Wechsel vom heutigen qualifizierten Marktbeherrschungstest zum SIEC-Test ("Significant Impediment to Effective Competition"). Daneben werden eine Präzisierung des materiellen Prüfungsmassstabs für harte Wettbewerbsabreden nach Artikel 5 Abs. 3 und 4 KG und Modernisierungen im Kartellzivilrecht und im Kartellverfahrensrecht vorgeschlagen.
Hintergrund
Nach dem Scheitern der ehrgeizigen Gesetzesrevision im Jahr 2014 sollen die wichtigsten Punkte dieser umfassenden Gesetzesrevision in einem neuen Anlauf umgesetzt werden. In den Augen des Bundesrats bestehe insbesondere Handlungsbedarf vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierung der Märkte. Mit einer modernisierten Fusionskontrolle soll der zunehmenden Tendenz zur Konzentration von Plattformen effektiver entgegengewirkt werden.
Zudem soll eine Verstärkung des Kartellzivilrechts der besseren Durchsetzung des Kartellrechts verhelfen und gleichzeitig die WEKO entlasten. Mit der "Präzisierung" der Beurteilung harter Wettbewerbsabreden nach Artikel 5 Abs. 3 und 4 KG und der Verbesserung des Kartellverfahrens werden schliesslich diverse Forderungen aus parlamentarischen Vorstössen umgesetzt.
Wechsel zum SIEC-Test bei der Fusionskontrolle
Der heutige qualifizierte Marktbeherrschungstest zur Beurteilung eines Zusammenschlussvorhabens berücksichtigt positive und negative Auswirkungen des Zusammenschlusses wenig. Der SIEC-Test hingegen ermöglicht eine umfassendere Beurteilung aller Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb. Mit dem SIEC-Test sinkt in Zukunft die Hürde für die Untersagung eines Zusammenschlusses. Die Einführung des SIEC-Tests hat auch eine Harmonisierung mit der EU-Praxis zur Folge.
Gleichzeitig soll eine neue Ausnahme von der Meldepflicht in der Schweiz für in der EU meldepflichtige Zusammenschlussvorhaben, deren sachliche Märkte sowohl die Schweiz als auch den EWR umfassen, geschaffen werden. Diese sollen von der WEKO nicht mehr geprüft werden. Der WEKO muss lediglich eine Kopie der Meldung bei der Europäischen Kommission eingereicht werden.
Präzisierung der Beurteilung harter Wettbewerbsabreden
Das Bundesgericht hat mit dem Gaba-Entscheid entschieden, dass für harte Wettbewerbsabreden (horizontale Abreden über Preise, Mengen oder Gebiete sowie vertikale Gebietsabschottungen und Preisbindungen zweiter Hand) grundsätzlich die Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung (unwiderlegbar) vermutet wird und quantitative Auswirkungen (primär basierend auf den Marktanteilen) nicht zu berücksichtigen sind. Neu soll die Zulässigkeit einer harten Wettbewerbsabrede jedoch wieder anhand einer Abwägung qualitativer und quantitativer Kriterien im Einzelfall erfolgen.
Stärkung des Kartellzivilrechts
Mit einer Stärkung des Kartellzivilrechts soll ein Anreiz geschaffen werden, dass Private vermehrt den zivilrechtlichen Weg einschlagen. Die vorgeschlagenen Instrumente zur Erreichung dieses Ziels sind:
- Erweiterung der Aktivlegitimation für Klagen, unter anderem auch auf Konsumenten (bzw. nach Abtretung der Ansprüche Konsumentenorganisationen).
- Hemmung der Verjährung von Schadenersatzforderungen während des Untersuchungsverfahrens der WEKO.
- Feststellungsanspruch der Widerrechtlichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung;
- Sanktionsmindernde Wirkung von getätigten Schadenersatz- und Gewinnherausgabezahlungen.
Punktuelle Anpassungen des Verwaltungsverfahren
Das verwaltungsrechtliche Verfahren soll vereinfacht, verkürzt und insgesamt verbessert werden. Geplant ist unter anderem die Einführung von Ordnungsfristen für die WEKO und Gerichte und einer Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren vor der WEKO. Zudem soll die Frist für das heute nur sehr selten genutzte Widerspruchsverfahren von fünf auf zwei Monate gesenkt werden.
Bedeutung für die Unternehmen und nächste Schritte
Der Vorschlag für die Teilrevision des Kartellgesetzes befindet sich noch in einer sehr frühen Phase. Die Vernehmlassung dauert bis zum 11. März 2022. Anschliessend wird das Parlament über die Vorlage zu beraten haben und es bleibt abzuwarten, welche nun vorgeschlagenen Änderungen schlussendlich Teil der Reform bleiben. Mit einem Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen ist nicht vor 2023/2024 zu rechnen.
Autoren: Christoph Lang (Partner), Severin Etzensperger (Associate), Samir El Hemdi (Junior Associate)
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