Aktienrechtsrevision: Überführung der Vergütungsbestimmungen ins Obligationenrecht | Pestalozzi Attorneys at Law

Aktienrechtsrevision: Überführung der Vergütungsbestimmungen ins Obligationenrecht

Legal Update-Reihe zur Aktienrechtsrevision

26.03.2021

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Dieses Legal Update ist Teil einer Reihe, mit welcher die für Praktiker relevanten Änderungen zum Aktienrecht in kondensierter Form dargestellt werden. Bereits publizierte Legal Updates finden Sie auf unserer Website unter Aktienrechtsrevision 2020. Neue Legal Updates zum Thema Aktienrechtsreform werden regelmässig an unsere Newsletter-Subscriber verschickt und auf unserer Website publiziert.

Übersicht

Im Rahmen der Aktienrechtsrevision werden die Bestimmungen zu den Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften in das Obligationenrecht überführt. Dabei treten insbesondere folgende Neuerungen in Kraft:

  • Im Vergütungsbericht neu offenzulegen sind Beteiligungsrechte und Optionen auf solche Rechte, externe Mandate sowie die Gründe und Massnahmen im Zusammenhang mit den Geschlechterrichtwerten.
  • Im Vergütungsbericht nicht mehr anzugeben sind dagegen nicht marktübliche Vergütungen an frühere Mitglieder, es sei denn sie stehen im Zusammenhang mit der früheren Organtätigkeit, und der gesamte Zusatzbetrag für die Geschäftsleitung sowie den auf jedes Mitglied entfallende Betrag.
  • Bei einer prospektiven Abstimmung über variable Vergütungen muss der Vergütungsbericht neu zwingend nachträglich der Generalversammlung zur konsultativen Abstimmung vorgelegt werden.
  • Der Katalog unzulässiger Vergütungen wird auf frühere Mitglieder und auf nahestehende Personen ausgedehnt – bei den Vergütungen im Konzern nur auf nahestehende Personen.
  • Neu unzulässig sind Karenzentschädigungen aufgrund eines geschäftsmässig nicht begründeten Konkurrenzverbots sowie ab einer gewissen Höhe, nicht marktübliche Vergütungen im Zusammenhang mit einer früheren Organtätigkeit und Antrittsprämien, die keinen nachweisbaren finanziellen Nachteil kompensieren.

Einleitung

Das Parlament hat am 19. Juni 2020 die Reform des Schweizerischen Aktienrechts verabschiedet. Damit werden die Bestimmungen zu den Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften, welche bisher in der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) geregelt waren, ins Obligationenrecht überführt. Die Bestimmungen wurden weitgehend unverändert übernommen, vereinzelt jedoch ergänzt oder präzisiert. Wenige Regelungen wurden gänzlich neu eingefügt. Das Inkrafttreten der gesamten Revision ist gemäss gegenwärtiger Einschätzung des Bundesamtes für Justiz erst im Jahr 2023 zu erwarten. Dies mit Ausnahme der Regelung betreffend Geschlechterrichtwerte, welche bereits per 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist.

Geltungsbereich

Wie nach geltendem Recht finden die Vergütungsbestimmungen zwingend Anwendung auf börsenkotierte Aktiengesellschaften. Die Aktiengesellschaften müssen nach Schweizer Recht gegründet worden sein, in der Schweiz ihren statuarischen Sitz haben und ihre Aktien müssen an einer in- oder ausländischen Börse (teilweise oder vollständig) kotiert sein.

Neu können jedoch auch nicht börsenkotierte Aktiengesellschaften in ihren Statuten vorsehen, dass die Vergütungsbestimmungen auf sie teilweise oder vollständig Anwendung finden. Die Folgen davon sind rein zivilrechtlicher Natur; unzulässige Vergütungen wären zurückzuerstatten und Pflichtverletzungen des Verwaltungsrats könnten mit Verantwortlichkeitsklage geltend gemacht werden. Strafrechtliche Folgen zieht dieses Opting-In keine nach sich.

Inhalt des Vergütungsberichts

Offenlegung von Beteiligungsrechten und Optionen auf solche Rechte

Die Beteiligungsrechte an der Gesellschaft und die Optionen auf solche Rechte der Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats sowie der den Mitgliedern nahestehenden Personen sind nach neuem Recht nicht mehr im Anhang zur Bilanz, sondern im Vergütungsbericht offenzulegen. Die Offenlegungspflicht fordert die Angabe der Namen und Funktionen jener gegenwärtigen Mitglieder, welche Beteiligungen oder Wandel-/Optionsrechte an der Gesellschaft halten. Bei Beteiligungen oder Wandel-/Optionsrechten von nahestehenden Personen müssen nicht deren Namen und Funktionen offengelegt werden, sondern der Name und die Funktion des jeweiligen Mitglieds, dem sie nahestehen. Indem die Beherrschungsverhältnisse einer Gesellschaft den Aktionären offengelegt werden, soll die Transparenz erhöht und dadurch mögliche Interessenskonflikte entschärft werden.

Offenlegung externer Mandate

Wie nach geltendem Recht muss in den Statuten angegeben werden, wie viele Tätigkeiten die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und neu auch des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen. Neu müssen neben der Angabe der zulässigen Anzahl solcher Mandate in den Statuten, auch die externen Mandate selbst im Vergütungsbericht offengelegt werden. Dies soll den Aktionären ermöglichen, allfällige Interessenskonflikte zu erkennen und die zeitliche Beanspruchung der einzelnen Mitglieder abzuschätzen. Zudem kann die Generalversammlung aufgrund der Transparenz hinsichtlich der externen Mandate gegenüber den Aktionären beurteilen, ob sie die Anzahl zulässiger Tätigkeiten durch Anpassung der statuarischen Grundlage einschränken möchte.

Externe Mandate müssen jedoch nur unter zwei kumulativen Voraussetzungen angegeben werden. Einerseits muss die Tätigkeit bei einer Drittgesellschaft in vergleichbarer Funktion wie ein Verwaltungsrat, ein Geschäftsleiter oder ein Beirat ausgeübt werden. Andererseits müssen nur Tätigkeiten bei Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck angegeben werden. So sind immerhin Tätigkeiten in gemeinnützigen Organisationen und Trusts ausgeschlossen. Tätigkeiten in inländischen und ausländischen Mutter- und Tochtergesellschaften sind aber auch offenzulegen.

Der Umfang der Angaben umfasst Vor- und Nachname des Mitglieds, Name und Firma des Drittunternehmens sowie die ausgeübte Funktion.

Angabe von Gründen und Massnahmen bei Nichteinhaltung der Geschlechterrichtwerte

Unter den Vergütungsbestimmungen neu eingeführt wird die Regelung betreffend Geschlechterrichtwerte, welche bereits per 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist. Diesbezüglich verweisen wir auf unser erstes Legal Update in dieser Reihe zur Aktienrechtsrevision.

Nicht generelle Offenlegung von marktunüblichen Vergütungen an frühere Mitglieder

Unter geltendem Recht sind im Vergütungsbericht alle Vergütungen offenzulegen, welche die Gesellschaft direkt oder indirekt an frühere Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirats ausgerichtet hat, sofern sie (i) in einem Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit als Organ der Gesellschaft stehen oder (ii) nicht marktüblich sind.

In der neuen Bestimmung im Obligationenrecht wurde die zweite Alternative gestrichen (vgl. Art. 734a Abs. 1 Ziff. 4 nOR). Nicht marktübliche Vergütungen an frühere Mitglieder sind also nur noch dann anzugeben, wenn sie in einem Zusammenhang mit der früheren Organtätigkeit stehen.

Keine Angabe des gesamten Zusatzbetrages und des auf jedes Mitglied entfallenden Betrages

Der Umfang der Angaben, die bei den Vergütungen offengelegt werden müssen, bleibt weitgehend unverändert.

Erleichterungen ergeben sich allerdings für Gesellschaften, die in ihren Statuten einen Zusatzbetrag für die Vergütung von Mitglieder der Geschäftsleitung für den Fall vorsehen, dass die Generalversammlung prospektiv über die Vergütungen der Geschäftsleitung abgestimmt hat und nach einer solchen Abstimmung neue Geschäftsleitungsmitglieder ernannt werden. So müssen nur noch die Namen und Funktionen der Mitglieder der Geschäftsleitung angegeben werden, an welche Zusatzbeträge bezahlt wurden. Nicht mehr offenzulegen sind nach neuem Recht der gesamte Zusatzbetrag für die Geschäftsleitung sowie der auf jedes Mitglied entfallende Betrag.

Abstimmung über die Vergütungen

Nachträgliche Konsultativabstimmung bei prospektiver Abstimmung über variable Vergütungen

Die Generalversammlung hat, wie nach geltendem Recht, jährlich über die Vergütungen der Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirats abzustimmen. Die Regelung der Einzelheiten der Abstimmung ist weiterhin den Statuten überlassen. Es steht der Gesellschaft frei, über die jeweiligen Vergütungen retrospektiv oder prospektiv abzustimmen.

Sofern in einer Gesellschaft prospektiv über variable Vergütungen abgestimmt wird, muss der Verwaltungsrat nach neuem Recht den jährlichen Vergütungsbericht der Generalversammlung im Folgejahr zur nachträglichen Konsultativabstimmung vorlegen. Dieser Mechanismus entspricht bereits jetzt der Best Practice, ist aber neu zwingend. Weil die Einzelheiten der Abstimmung über die Vergütungen in den Statuten enthalten sein müssen, macht diese Gesetzesänderung für gewisse Gesellschaften eine Anpassung der Statuten notwendig.

Die nachträgliche Konsultativabstimmung soll die Mitsprachemöglichkeit der Aktionäre stärken. Zudem dient sie dem Verwaltungsrat als Instrument des Dialogs und als Warnindikator. Wird der Vergütungsbericht von der Generalversammlung abgelehnt, signalisiert dies dem Verwaltungsrat die Notwendigkeit einer Anpassung des Vergütungssystems im Hinblick auf die künftigen Vergütungen.

Zusatzbetrag nur für neu als Mitglieder der Geschäftsleitung Ernannte

Wie bereits nach geltendem Recht kann für den Fall, dass die Generalversammlung prospektiv über die Vergütung der Geschäftsleitung abstimmt, in den Statuten einen Zusatzbetrag vorgesehen werden für die Vergütungen von Geschäftsleitungsmitgliedern, die zwischen zwei Generalversammlungen ernannt werden. Mit dem Wortlaut des neuen Art. 735a Abs. 1 nOR wird klargestellt, dass der Zusatzbetrag nur für jene Geschäftsleitungsmitglieder verwendet werden darf, die bisher nicht Teil der Geschäftsleitung waren, nicht also für solche, die innerhalb der Geschäftsleitung befördert wurden.

Dauer der Verträge

Die Regelung wonach die Dauer bzw. Kündigungsfrist von Verträgen, denen Vergütungen zugrunde liegen, maximal ein Jahr betragen darf, gilt nach neuem Recht nicht mehr nur für Vergütungsverträge von Geschäftsleitungsmitgliedern, sondern auch von Beiräten. Bei der maximalen Dauer der Vergütungsverträge für Verwaltungsmitglieder wird nicht mehr auf die Dauer eines Jahres abgestellt, sondern vorgeschrieben, dass die Amtsdauer nicht überschritten werden darf. Diese Regelung entspricht der Auslegung der geltenden VegüV-Bestimmung. Hierbei unterscheidet der Wortlaut nicht zwischen befristeten und unbefristeten Verträgen. Die Dauer unbefristeter Verträge muss die Amtszeit jedoch überschreiten können, sofern der Vertrag unter Vorbehalt der Wiederwahl steht bzw. ein Kündigungsrecht auf Ende der Amtszeit vorsieht.

Unzulässige Vergütungen

Ausdehnung des Katalogs unzulässiger Vergütungen auf frühere Mitglieder und nahestehende Personen

Wie nach geltendem Recht, befindet sich unter den Vergütungsbestimmungen ein Katalog von Vergütungen, die vollständig verboten oder aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Bisher wurden als Vergütungsempfänger solcher unzulässigen Vergütungen nur die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats erfasst. Neu erwähnt der Katalog ausdrücklich die früheren Mitglieder und er wird auf nahestehende Personen ausgedehnt. Zudem erfolgt auch bei den unzulässigen Vergütungen im Konzern eine Ausdehnung auf die nahestehenden Personen.

Dies Änderungen ziehen für folgende Vergütungen zwingend eine Statutenänderung nach sich, weil diese Vergütungen ohne statuarische Grundlage unzulässig sind:

  • Darlehen, Kredite, Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge und erfolgsabhängige Vergütungen an frühere Mitglieder oder nahestehende Personen;
  • Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten an frühere Mitglieder oder nahestehende Personen;
  • Vergütungen an nahestehende Personen für Tätigkeiten in Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden.

Karenzentschädigungen, nicht marktübliche Vergütungen und Antrittsprämien als unzulässige Vergütungen

Der Katalog unzulässiger Vergütungen wird um drei Ziffern erweitert. Zunächst werden Karenzentschädigungen neu unter zwei alternativen Voraussetzungen explizit als unzulässige Vergütungen qualifiziert. Ist ein Konkurrenzverbot geschäftsmässig nicht begründet, sind darauf gestützte Karenzentschädigungen unzulässig. Ist das Konkurrenzverbot geschäftsmässig begründet, so sind Karenzentschädigungen, die den Durchschnitt der Vergütungen der letzten drei Jahre übersteigen, unzulässig. Zweck dieser Erweiterung ist Rechtssicherheit zu schaffen bei der Abgrenzung der zulässigen Karenzentschädigungen von den unzulässigen Abgangsentschädigungen.

Zusätzlich sind neu nicht marktübliche Vergütungen im Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit als Organ der Gesellschaft unzulässig. Diese Generalklausel soll sicherstellen, dass das bereits unter geltendem Recht bestehende Verbot der Abgangsentschädigungen bzw. die neuen Vorgaben zu den Karenzentschädigungen nicht ausgehebelt werden.

Des Weiteren wird der Katalog der unzulässigen Vergütungen auf Antrittsprämien, die keinen nachweisbaren finanziellen Nachteil kompensieren, erweitert. Zweck dieser Gesetzesänderung ist zum einen, Rechtssicherheit zu schaffen, indem klargestellt wird, dass Antrittsprämien an sich zulässig sind. Zum anderen sollen neu eigentliche sogenannte Sign-On-Boni verboten werden. Dies sind pauschale Zahlungen, die Personen ausschliesslich dafür zugesprochen werden, dass sie sich verbindlich an den Arbeitgeber binden und gleichzeitig andere potenzielle Angebote ausschlagen.

Bei den Provisionen für die Übernahme oder Übertragung von Unternehmen oder Teilen davon wird schliesslich durch die Streichung des zweiten Teils der Regelung, "durch die Gesellschaft oder durch Unternehmen, die durch die Gesellschaft direkt oder indirekt kontrolliert wurden“, klargestellt, dass diese nicht nur bei konzerninternen, sondern auch bei konzernexternen Transaktionen unzulässig sind. Dies ist unter geltendem Recht umstritten.

Inkrafttreten und Handlungsbedarf

Nach Inkrafttreten der Aktienrechtsrevision, welche nach heutigem Kenntnisstand frühestens im Jahr 2023 erfolgen wird, besteht eine Übergangsfrist von zwei Jahren zur Anpassung der Statuten und Reglemente der Gesellschaft an die neuen Vergütungsbestimmungen. Doch sollten sich Verwaltungsräte, Führungskräfte und Rechtsdienste rechtzeitig mit den Neuerungen auseinandersetzen, um einerseits zu klären, ob die Gesellschaft Vergütungen ausrichtet, die bereits ab Inkrafttreten des neuen Rechts unzulässig sind, und andererseits zu prüfen, ob Statutenänderungen vorzunehmen sind.

Autoren: Dr. Martin L. Müller (Partner), Nicole Sutter (Junior Associate)

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Keine Rechts- oder Steuerberatung

Dieses Legal Update gibt einen allgemeinen Überblick über die Rechtslage in der Schweiz und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Falls Sie Fragen zu diesem Legal Update haben oder Rechtsberatung hinsichtlich Ihrer Situation benötigen, wenden Sie sich bitte an Ihren Ansprechpartner bei Pestalozzi Rechtsanwälte AG oder an eine der in diesem Legal Update erwähnten Kontaktpersonen.

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